Leipziger Volkszeitung zur Wahl
Archivmeldung vom 19.09.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZehn Prozent weniger Wählerzustimmung als vor vier Jahren in Mecklenburg-Vorpommern, trotz prozentualer Gewinne 57860 weniger absolute Stimmen in Berlin. Die SPDfeiert trotzdem zwei strahlende Sieger.
Die Berliner CDU hat sich die schlimmste Wahlklatsche aller Zeiten
erkämpft, aber der Sprachautomat der Führung lässt wissen, die Union
sei so gut wie lange nicht mehr. Die FDP feiert ihre besten
Ergebnisse, ganz sicher auch deshalb, weil sie vorgaukelt, der Staat
kostet nichts, jedenfalls keine Mehrwertsteuer-Erhöhung. Die
Links-partei ist vielfach zu bieder geworden, um Störungswillige
einzusammeln, also verordnet sie sich mehr populistische
Provokationen nach Lafontaines Art.
Die Art und Weise, wie die bürgerlichen Parteien diesen Wahltag
verkleistern, das Quantum an Ignoranz, das aufgebracht wird, um
Wahlmüdigkeit und Stimmenverluste zu verharmlosen, ergeben bestes
Zusatzfutter für die Rattenfänger. Reflexhaft wird nach staatlichen
Aufklärungsprogrammen gerufen, die zuvor zusammengestrichen wurden.
Tränenstark wird von der Schande für Deutschland sowie über die
Folgen für den Tourismus geklagt, aber schon morgen sind die Tränen
vergessen. Wahlforscher prophezeien im Vorfeld zweistellige
NPD-Resultate, um hinterher wortreich zu begründen, weshalb man die
NPD nicht so wichtig nehmen dürfe. Journalisten tun so, als ließe
sich mit einer Frage nach Adolf Hitler nicht nur der
NPD-Oberbrandstifter in Schwerin vorführen, sondern man könnte ihm
mit diesem "Coup" gleich die halbe Wählerschaft abspenstig machen.
Es haben schon sämtliche Experten die Welt der NPD erklärt. Geblieben
ist der Prickel, den der einfache Wähler mit seiner Stimme einfach so
für die Braunen auslösen kann. Andere Protest-Abräumer, etwa
Westerwelles FDP-Steuerbekämpfer, sind zu kompliziert in ihren
Begründungen. Sie haben auch keinen Möllemann mehr. Die Grünen sind
allenfalls noch die Edel-Revoluzzer, deren resozialisierte
Ex-Straßenkämpfer sich beim Drei-Sterne-Koch treffen. Weh tun die
keinem mehr. Nur die Stimme für die NPDerzeugt Schmerzen, und zwar
sofort. Die Partei der politischen Verwahrlosung gedeiht auch
deshalb, weil die demokratischen Parteien mit ihrer Polit-Sprache
einen schwachen Eindruck hinterlassen.
Es gibt gewiss kein Patentrezept gegen alte und neue Nazis.
Allerdings könnte man mit kleinen Wahrheiten anfangen.Niederlagen
sollten nicht in Siege umgemogelt werden.Unangenehmes wird
verdaulicher, wenn es beim Namen genannt, als wenn es dem Gegner in
die Schuhe geschoben wird.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung