Der Februar wird kalt und heiß zugleich, aber nicht ruhig
Archivmeldung vom 25.01.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDagmar Henn schrieb den folgenden Kommentar: "Übersteht das deutsche Stromnetz kalte Tage im Februar? Übersteht der Frieden die NATO-Zündelei in der Ukraine? Die beiden Fragen sind enger miteinander verbunden, als einem lieb sein kann, wenn man ruhig schlafen will. Und in beiden geht die Bundesregierung konsequent in die falsche Richtung. Spätestens seit Fertigstellung von Nord Stream 2 und dem Beginn des Winters wurde der Füllstand der deutschen Gasspeicher zum Gegenstand beständiger Sorge."
Henn weiter: "Augenblicklich liegt er bei 41,79 Prozent. Das Wetter der letzten zwei Wochen war für den Januar mild; trotz der zusätzlichen Belastung durch die Abschaltung der drei Kernkraftwerke lag die Entnahme also weit unter dem Maximum. Ausnahmen stellten immer windstille Tage dar, wie der 11. Januar. Dennoch würden die vorhandenen Vorräte unter gleichbleibenden Bedingungen gerade bis Ende Februar reichen.
Wie in den Warnungen des französischen Energieversorgers würde eine Kälteperiode mit Windstille das vorhandene Problem schnell und massiv verschärfen. Der Zeitraum, in dem das weiterhin die Menge des durch die Pipelines gelieferten Erdgases aus den Speichern aufgestockt werden kann, würde sich deutlich verringern. "Bei einer sieben Tage dauernden Extremkälte ist ein Füllstand von 40 Prozent nötig", schrieb jüngst die Wirtschaftswoche und bezog sich dabei auf ein Gutachten, das das Bundeswirtschaftsministerium 2015 in Auftrag gegeben hatte. Diese 40 Prozent werden in einer Woche bereits deutlich unterschritten sein.
Aber was bedeutet das Alles, welche Konsequenzen hat es? Der erste, wichtigste Punkt ist, dass die Erdgas- und die Stromversorgung miteinander verknüpft sind. Erdgaskraftwerke sind jene Kraftwerke, die die Schwankungen in der Stromversorgung, die Sonnen- und Windstrom zu verdanken sind, abfangen sollen, weil sie am schnellsten herauf- und heruntergeschaltet werden können. Ein zu geringes Angebot an Erdgas schafft also nicht nur Probleme beim Kochen und Heizen für jene Deutschen, die dies mit Erdgas tun, es betrifft auch alle anderen durch zunehmende Unsicherheit bei der Stromversorgung. Die ohnehin durch die Abschaltung der drei Atomkraftwerke am 1. Januar zugenommen hat, weil 5 Gigawatt Grundleistung weniger vorhanden sind.
Dazu kommt aber dieses Jahr ein weiteres Problem: auch im Nachbarland Frankreich gibt es Engpässe in der Stromversorgung, weil unter anderem inzwischen ein Drittel der Kernkraftwerke stillsteht. Der französische Energieversorger hatte schon entsprechende Warnungen veröffentlicht, es könne zu stundenweisen Stromabschaltungen in einigen Regionen kommen, um einen Blackout zu verhindern. Weil die Stromnetze miteinander verbunden sind, ist auch in Frankreich diese Gefahr besonders hoch, wenn es kalt und windstill ist, da bei viel Wind deutscher Windstrom nach Frankreich exportiert wird.
Wenn es zu einem Engpass kommt, betrifft er also die zwei größten Industrieländer Europas gleichzeitig. Natürlich würde auch hier, wie in Frankreich, versucht, erst jene Teile der Industrie stillzulegen, die am energieintensivsten sind, und dann zu vorübergehenden Abschaltungen gegriffen, um die möglichen Schäden in Grenzen zu halten. Diese vorübergehenden Abschaltungen sind eine Notmaßnahme, um einen ungeregelten Zusammenbruch der Stromversorgung zu vermeiden; so, wie es auch in Texas im vergangenen Winter passiert ist. Allerdings – es sind zwei große, bevölkerungsreiche Länder, die gleichzeitig vor dem selben Problem stehen; in beiden Ländern hat man nicht gerade viel in die Erhaltung der Infrastruktur investiert, und Murphys Gesetz sollte man nie vergessen.
Es gibt aber noch einen weiteren Risikofaktor. Die möglicherweise nötigen Entscheidungen berühren Interessen. Frankreich hat da einen Vorteil, weil zumindest das Stromnetz in einer Hand ist. In Deutschland gibt es unzählige Netzbetreiber und noch mehr Stromversorger, die alle Gewinnabsichten damit verbinden, die durch Abschaltungen geschmälert werden. Und politisch? Nun, da haben wir in jüngster Zeit genug Beispiele völligen Versagens, wie bei der Ahrtalflut. Um die zur Verhinderung eines Blackout nötigen Entscheidungen zu treffen, braucht es ein sehr stabiles Rückgrat; quer durch Verwaltung und Politik eine Eigenschaft, die nicht gerade häufig anzutreffen ist. Und es gibt zwar auf der Ebene der länderübergreifenden Hochspannungsnetze tatsächlich eine zentrale Entscheidungsinstanz, aber darunter...
Man muss also, wenn man diese Gegebenheiten mit einbezieht, davon ausgehen, dass Versuche, einen Blackout, also einen unkontrollierten Zusammenbruch des Stromnetzes, zu verhindern, scheitern werden. Und dann?
Die meisten Menschen in diesem Land dürften die Folgen noch immer weit unterschätzen. Ein wenig davon kann man in den Berichten aus dem Ahrtal finden – dass die Rettungsdienste nicht mehr funktionierten, weil sie keinen Funk mehr haben, sondern die normalen Mobilfunkmasten nutzen, die bei Stromausfall natürlich ebenfalls tot sind, beispielsweise. Dass die Wasserversorgung von mit Strom betriebenen Pumpen abhängt. Dass auch eine Ölzentralheizung Strom braucht.
Entscheidend dabei ist, dass die in einem solchen Fall erfolgenden großflächigen Abschaltungen kein Problem von Stunden oder Tagen sind, sondern von Wochen. Auch hier kann man das Beispiel Texas betrachten. Denn zum einen ist das Hochfahren eines Stromnetzes eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, weil immer genau so viel Strom eingespeist werden muss, wie nachgefragt wird; zum anderen bestünde durchaus die Möglichkeit, dass einzelne Umspannwerke dauerhafte Schäden erleiden, die nicht schnell zu beheben sind. Der Zeitraum, in dem ein Blackout in mehr als einem Bundesland zu einer großflächigen Katastrophe wird, liegt nach entsprechenden vom Bundestag schon vor über einem Jahrzehnt beauftragten Studien bei maximal einer Woche. Diese Studien sind jedem wärmstens ans Herz zu legen, der wissen will, womit diese Bundesregierung beispielsweise durch die Verzögerung der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 Spielchen treibt.
Aber jetzt kommt die nächste Ebene. Der Umgang der jetzigen wie der vorhergehenden Bundesregierung mit der Corona-Krise, insbesondere die beständige Erzeugung von Panik, die sozialen Distanzmaßnahmen und die durch stetig sich ändernde Regeln erzeugte Verunsicherung hätten im Falle eines Blackout zwei Folgen. Die erste ist, dass die psychischen Reserven, die helfen, Katastrophen zu verarbeiten, bei den Meisten jetzt schon verbraucht sind. Das heißt, die ohnehin belastende Situation würde als noch belastender empfunden. Zudem ist das normale menschliche Verhalten in Krisensituationen, das darin besteht, Nähe zu suchen und das Überleben in der Gruppe zu sichern, durch die gesamten Maßnahmen bei einigen zumindest geradezu abtrainiert.
Der Zustand der öffentlichen Verwaltung, der schon vor Corona in manchen Regionen miserabel war, hat sich noch weiter verschlechtert. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Voraussetzungen, mit einer ganz realen, tatsächlich alle unmittelbar betreffenden Katastrophe umzugehen, denkbar schlecht sind. Weit schlechter, als sie zu der Zeit waren, in denen die oben erwähnten Prognosen erarbeitet wurden. Das gilt übrigens auch für einige technische Bereiche – die Umstellung der privaten Telefonie auf Voice over IP z.B. führt auch dazu, dass die Festnetztelefone sofort nicht mehr funktionieren, wenn das allgemeine Stromnetz ausfällt.
Man könnte sich sogar den Irrsinn vorstellen, dass die verantwortlichen Politiker versuchen, in einer solchen Situation noch auf ihren Corona-Maßnahmen zu bestehen. Irrational genug sind sie. Was aber auf jeden Fall passieren würde, ist, dass der ohnehin schon vorhandene Unmut in der Bevölkerung, der sich in den hunderten Spaziergängen ausdrückt, schlagartig ganz neue Höhen erreichen würde. Denn es ist klar und nachvollziehbar genug, wer für das zunehmende Risiko eines großflächigen Blackout verantwortlich ist. Würde die jetzige politische Elite eine solche Lage überstehen? Im allergünstigsten Fall schwer gerupft. Wahrscheinlich eher nicht, zumindest nicht politisch. Die Neigung der Verantwortlichen, Verantwortung zu übernehmen, ist jetzt schon nicht sehr ausgeprägt.
Wie würde diese Bundesregierung, wie würde die Besatzung des Bundestags reagieren, wenn ihr klar wird, dass ihr völliges politisches Scheitern unmittelbar bevorsteht? Sie hätten das gerade entstehende Risiko abwenden können, indem sie Nord Stream 2 in Betrieb nehmen; sie haben es bisher nicht getan und werden es vermutlich auch künftig nicht tun, weil sie in der Einbildung leben, das würde der russischen Wirtschaft mehr Schmerzen verursachen als der deutschen. Nun läuft der Countdown bereits, und es ist absehbar, dass die Lage spätestens Mitte Februar wirklich riskant wird.
Die wahrscheinlichste Reaktion wird in Ablenkung bestehen. Dafür bieten sich zwei Optionen: eine weitere Verschärfung der Corona-Hysterie, und eine weitere Verschärfung der antirussischen Politik. Letzteres bedeutet eine direkte Erhöhung der Kriegsgefahr; die ukrainischen Angriffsvorbereitungen sind nach wie vor ernst, was man unter anderem daran sehen kann, dass inzwischen die gesamte Südostukraine für den zivilen Luftverkehr gesperrt ist, was ein Blick auf Flightradar oder ähnliche Trackingseiten bestätigt. Wäre die jetzige Bundesregierung in ihrer personellen Zusammensetzung im Stande, ihr hausgemachtes Problem auf eine solche Weise zu beantworten?
Leider zeigt die bisherige Erfahrung, dass eine tatsächliche Lösung noch weniger wahrscheinlich ist; sie hätte zur Voraussetzung, dass Bundeskanzler Scholz seine grünen Koalitionspartner öffentlich schlachtet und unmittelbar auf deutlichen Abstand zum NATO-Kurs geht. Jeder mag für sich beurteilen, ob ein solcher Schritt bei Olaf Scholz und den ihn umgebenden SPD-Ministern vorstellbar ist. Ich glaube nicht. Die Geschwindigkeit, mit der die sozialdemokratische Verteidigungsministerin den Marinekommandeur den transatlantischen Spinnereien geopfert hat, spricht klar dagegen.
Es kann natürlich sein, diese Regierung hat das Glück der Dummen, der Februar wird windig und warm und die ganzen Bestrebungen, in der Ukraine zu zündeln, laufen ins Leere, weil irgendwer irgendwo zwischen Politik und Militär doch noch genug Vernunft hat. Dann mag, wer immer an höhere Wesen glaubt, diesen Ende Februar danken. Ansonsten aber wird der kommende Monat spannender, als einem lieb sein kann."
Quelle: RT DE von Dagmar Henn