Wiesbadener Kurier: Kommentar zum Fall Pascal
Archivmeldung vom 08.09.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Zweifel für die Angeklagten. Der Rechtsgrundsatz bleibt unantastbar. Ob er im Prozess um die Schändung und Ermordung des kleinen Pascal richtig angewendet worden ist, daran sind freilich ebenfalls Zweifel erlaubt. Der Freispruch für die Angeklagten löst nach all den schrecklichen Details, die im Lauf des Verfahrens zur Sprache kamen, doch auch Verstörung aus.
Waren denn die je nach Prozessverlauf gemachten und widerrufenen
Geständnisse alle falsch? Können die mehrfach geschilderten grausigen
Einzelheiten der Massenvergewaltigung wirklich nur schierer Phantasie
entsprungen sein? Es gab gewiss Mängel in den Ermittlungen und
unbefriedigende Lücken in der Argumentation der Staatsanwaltschaft.
Aber im Urteil des Saarbrücker Landgerichts scheint doch nicht nur
der Begriff des Zweifels sondern auch der der Plausibilität arg
strapaziert worden zu sein.
Ein Revisionsverfahren ist auch deshalb wahrscheinlich. Über allem
schweben Zweifel und ein Gefühl, dass hier schwere Schuld ungesühnt
bleibt.
Die im Prozess zutage getretenen Zustände in einem Saarbrücker
Vorstadt-Slum werfen auf jeden Fall ein Schlaglicht auf Zonen der
Verwahrlosung und Ent-Sozialisierung mitten in diesem Land. Die krude
Mischung aus der "Tosa-Klause³ zwischen Profitgier, amoralischen
Perversionen und schierer Verblödung zeugt von (noch) lokaler
gesellschaftlicher Auflösung ausgerechnet in einem industriellen
Herzland, das vor wenigen Jahrzehnten noch sozial fest gefügt in
Arbeitermilieu und Kirche war. Ein Menetekel angesichts der (nicht
nur monetären) Verarmungstendenzen.
Quelle: Pressemitteilung Wiesbadener Kurier