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Berliner Morgenpost: Der Mittelstand muss für die Sozialkassen leiden

Archivmeldung vom 16.07.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es ist kaum zu glauben, aber eben doch wahr und im Trend nicht einmal neu: Deutschland lässt sich seinen Sozialstaat viel kosten, sehr viel sogar. Fast jeder dritte im Lande erwirtschaftete Euro wird in diesem Jahr für Soziales ausgegeben.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hat recht mit seiner Feststellung, dass Deutschland deshalb einer der leistungsfähigsten Sozialstaaten der Welt sei, der gerade in der gegenwärtigen Krise gut funktioniere. Wir lassen uns das 2009 um die 754 Milliarden Euro kosten (der Bundeshaushalt des laufenden Jahres weist 290 Milliarden Euro aus). Das ist knapp ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts, also der Produktionswert aller Güter und Dienstleistungen binnen eines Jahres. Zu widersprechen ist dem Minister auch nicht, dass die Rezession den Anteil der Sozialausgaben am Inlandsprodukt in die Höhe treibt. Aber richtig ist eben auch, dass der deutsche Sozialstaat unabhängig von der jeweiligen Konjunkturlage unglaublich teuer ist. Wenn jeder dritte Euro in nimmersatten Sozialkassen landet, stellt sich allerdings auch immer dringlicher die Frage, wie lange Deutschland sich das noch leisten kann. Frisst der Sozialstaat die Zukunft des Industriestandorts auf? Deutschlands einzig gewichtige Ressourcen sind Bildung, Wissenschaft und Forschung, dazu die große Leistungsbereitschaft der Beschäftigten und damit eine im internationalen Vergleich hohe Produktivität. Sie alle müssen gefördert und erweitert werden, wenn der Lebensstandard zumindest gewahrt werden soll. Dazu sind, wie alle Parteien versprechen, hohe Investitionen nötig; private wie öffentliche. Doch wie soll das möglich sein, wenn immer mehr Milliarden aus öffentlicher wie privater Kasse in die Stabilisierung, gar in den Ausbau des Sozialstaats fließen? Jeder dritte in Deutschland wertgeschöpfte Euro für die soziale Absicherung - da bleibt vergleichsweise wenig für Zukunftssicherung übrig. Die nächste Regierung wird schwerlich umhinkommen, den langen Katalog der sozialen Leistungen zu beschneiden. Weil er schon auf absehbare Zeit nicht mehr zu finanzieren ist. Es ist die Mittelschicht der mittleren Einkommen, die zu den Leistungsträgern dieser Gesellschaft gehört und mit ihren stetig steigenden Abgaben in Form von Steuern und Sozialbeiträgen einen Großteil der sozialen Wohltaten finanziert. Doch diese Mittelschicht schrumpft zunehmend. Weil sie einerseits vom vermeintlich wohltätigen und deshalb steuergefräßigen Staat immer dreister ausgenommen wird, andererseits nennenswerte Bruttozuwächse beim Gehalt zur Ausnahme werden. Die nächste Regierung wird sich also mehr den Mittelverdienern als den Wenig- oder Gar-nicht-Verdienern zuwenden müssen. Auch angesichts der OECD-Studie, nach der Deutsche mit mittlerem Einkommen verglichen mit anderen Industrieländern weit höhere Steuern und Abgaben zu leisten haben. Vor allem aber, weil es ohne gesunde, dazu breite Mittelschicht zur Illusion wird, selbst eine leicht abgespeckte Sozialpolitik dauerhaft bezahlen zu können. Jeder dritte Euro ist einfach zu viel.

Quelle: Berliner Morgenpost

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