Börsen-Zeitung: Verpackungskünstler
Archivmeldung vom 22.11.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach traditionellem Verständnis war die 1956 gegründete DWS eine Fondsgesellschaft. Als solche kommt die Nummer 1 der Investmentbranche zwar auch heute noch daher. Aber die DWS des Jahres 2007 ist viel mehr. Sie spielt ein bisschen Investmentbank, tritt als Zertifikatehaus auf, begibt sich in die Nähe des Versicherungsgeschäfts und wird bald sogar als Anbieter geschlossener Fonds aktiv.
"Verpackungsarbitrage" nennt die Geschäftsführung die
auch bei anderen Asset Managern zu beobachtende Diversifizierung der
Produktformen. Soll heißen: Geldanlagen werden, ohne dass sich beim
Inhalt allzu viel ändern muss, mehr denn je ganz unterschiedlich
verpackt - mal als Fonds, mal als Versicherungspolice, mal als
Zertifikat etc.
Wo sich der Anleger, aber gewiss auch manche Anlagegesellschaft
mehr Produktwahrheit und -klarheit wünschen würde, entsteht auf diese
Weise eine neue Unübersichtlichkeit. Treibende Kräfte sind dabei der
Gesetzgeber und die Regierung. Vor allem die steuerlichen
Rahmenbedingungen entscheiden darüber, welche Verpackung gerade die
günstigere ist. So erhielt der Zertifikatemarkt einen herben Dämpfer
durch die Abgeltungssteuerdiskussion. Auch damit ist zu erklären,
dass die Zertifikate-Plattform DWS Go fast wie eine Quantité
négligeable erscheint, während strukturierte Produkte im Fondsmantel
zum Bestseller avancierten.
Die Investmentbranche zeigt sich mit Blick auf steuerliche und
regulatorische Vorgaben zwar äußerst flexibel, allen voran die DWS,
die den Anspruch erhebt, ihren Kunden den gewünschten Inhalt in der
jeweils passenden Verpackung bieten zu können. Doch besteht die
Gefahr, dass es dadurch zu Mogelpackungen kommt: wo "Fonds"
draufsteht, ist womöglich Zertifikat drin und umgekehrt. Und das nur,
weil Gesetzgeber und Finanzverwaltung unfähig oder nicht willens
sind, für die Anbieter aller Finanzprodukte faire, also gleiche
steuerliche und vertriebliche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Nur bei einem solchen "Level Playing Field" könnten die Anleger sachgerecht entscheiden, welches Produkt für ihren individuellen Bedarf am besten geeignet ist. So aber sind sie auf die Fertigkeiten von Verpackungskünstlern wie der DWS angewiesen, um steuerliche und andere Nachteile zu vermeiden. Auf der Anbieterseite wiederum müssen sich Fondsgesellschaften z.B. als Versicherer verkleiden, um Kunden nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Das ist absurd.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung