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Börsen-Zeitung: Alte Dame - Neue Rechnung

Archivmeldung vom 09.01.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.01.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Historische Marken haben einen Charme, dem man sich nur schwer entzieht. So gesehen stellt die jüngste Zinssenkung der Bank von England von 2 auf 1,5% etwas ganz Besonderes dar. Die älteste unter den führenden Zentralbanken kennt eigentlich keine Niedrigzinsen.

Seit dem Gründungsjahr 1694 hat man sich durch die Jahrhunderte und über alle Kriege, Depressionen und Marktturbulenzen hinweg nie dazu veranlasst gesehen, mit dem Leitzins unter die Zwei-Prozent-Marke zu gehen.

Seit vergangenem Oktober aber hat die Zentralbank eine neue Zeitrechnung ausgemacht. Die Finanzkrise und Wirtschaftsverfassung auf der Insel werden als ein Sonderfall gesehen, der entsprechende Maßnahmen rechtfertigt, die bar jeder historischen Einordnung sind. So wurde der Leitzins seit Oktober in gewaltigen Schritten von bis zu 150 Basispunkten von 5 auf 1,5% zurückgenommen. Bis Quartalsende kann mit zwei weiteren Senkungen auf dann 0,5% fest gerechnet werden.

Trotz Verweisen auf Output-Rückgänge und Stimmungsbarometer werden die einzelnen Schritte weiterhin penibel mit dem Modell zur Punktzielsteuerung der Inflation begründet. Offiziell tanzt damit keine der Entscheidungen aus der Reihe, sondern hat mechanische Zielerfüllungsqualität. Wenn man allerdings bedenkt, wie plötzlich die Bank das Ruder herumriss, muss die Prognosequalität des Modells über weite Strecken des Jahres 2008 so ärmlich gewesen sein, dass man ihm auch jetzt nicht über den Weg trauen kann. Das ist jedoch fast Nebensache. Downing Street und der Rest der Nation schreien nach noch niedrigeren Zinsen und werden sie bekommen.

Dass die Zentralbank aber nicht wie die Amerikaner direkt an die Nullmarke geht, dürfte allerdings einen anderen Hintergrund haben. Danach gibt es nur noch quantitative Lockerung als geldpolitisches Steuerungsinstrument. Dies bedarf streng genommen keiner monatlichen Ratssitzungen des Monetary Policy Committee, sondern der Abstimmung mit der Regierung.

Die Treasury hat schon deutlich gemacht, dass sie bei der direkten Beeinflussung der Geldbasis ein Wörtchen mitzureden hat. Das wäre aber kein schleichender, sondern ein abrupter und offensichtlicher Verlust an geldpolitischer Unabhängigkeit, den die "Old Lady" in der Threadneedle Street sicher gerne noch hinauszögern möchte.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Norbert Hellmann)

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