Lausitzer Rundschau: Reform der Reform
Archivmeldung vom 08.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs waren wieder einmal die Bürger, die die Politik zum Nachdenken und Handeln gebracht haben. Immerhin 73 Prozent von 18 000 Befragten in 90 deutschen Städten hatten sich in einer Studie für die Rückkehr zu alten Nummernschildern an ihren Autos ausgesprochen. Die Ergebnisse waren selbst für die Initiatoren um Prof. Ralf Bochert vom Studiengang Tourismusmanagement an der Hochschule Heilbronn überraschend.
Denn nicht nur in den neuen Ländern, wo der Kennzeichenverlust erst kurze Zeit zurückliegt, ist der Wunsch zur "Reform der Reform" ausgeprägt. Vielmehr überraschen auch die alten Bundesländer, in denen zwei Drittel der Befragten ebenfalls zu ihrem Altkennzeichen zurück wollen. Dabei gab es hier die Gebietsreformen zum Großteil bereits in den 70er-Jahren. Vor allem aber wird die Studie bemerkenswert, wo auf Nachfragen darauf verwiesen wird, wie eng Identität und Heimatgefühl mit den ersten Buchstaben des Autokennzeichens verbunden sind. Da räumen die Eisenhüttenstädter ein, sich mit LOS des Landkreises Oder-Spree nie identifiziert zu haben. Da wurde das V für Vogtland nie von den Plauenern akzeptiert. Und ganz wild geht es nach unzähligen Eingemeindungen und zwei Kreisgebietsreformen im sächsischen Boxberg zu. Sechs Varianten von Autokennzeichen - WSW, HY, NY, KM, NOL und letztlich GR für den neuen Großkreis Görlitz - fahren hier über die Straßen. Wenn ein Nummernschild tatsächlich etwas mit Identität zu einer Region oder Stadt zu hat, dann geht hier alles durcheinander. Und es ist jetzt der Wunsch in der größten Flächengemeinde des Freistaates zu verstehen, das längst als zweites Buchstabenpaar eingravierte BX für Boxberg künftig an die erste Stelle zu bekommen. Zu fragen bleibt, warum die Politik Jahrzehnte gebraucht hat, um den einfachen Zusammenhang von einem kleinen Stück Heimatverbundenheit und dem Autokennzeichen zu erkennen. Es gab nie einen rationalen Grund, das WSW in NOL und GR, das HY in BZ, das LN in LDS oder das SEN in OSL zu anonymisieren. Höchstens einen ordnungspolitischen. Aber der kann ja nicht so bedeutsam gewesen sein, wenn sich die Verkehrsminister schon beim ersten Anlauf einig wurden, die alten Kennzeichen wieder zuzulassen.
Quelle: Lausitzer Rundschau