Allg. Zeitung Mainz: Mit der Metro ins Zentrum
Archivmeldung vom 28.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVilliers-le-Bel, Goussainville, Garges-les-Gonesse: Für deutsche Ohren klingt das nach Chic, Charme und Lebensfreude. Nichts von alledem trifft auch nur im entferntesten auf diese Orte rund um Paris zu, im Gegenteil.
Dort wohnen, wenn sie denn überhaupt Arbeit haben, viele von denen,
die die Metropole an der Seine pflegen, putzen, versorgen und den
Dreck wegräumen.
Am morgen kommen sie still und leise ins Zentrum, am Abend
verschwinden sie wieder ebenso leise. Es sind oft genug Einwanderer
aus den früheren Kolonien der "Grande Nation", beziehungsweise deren
Nachkommen, aber auch viele, die sich die Mieten in Paris schlicht
nicht leisten können. Die Reichen und Mächtigen fahren an diesen
Städten auf der Autobahn vorbei, betreten haben sie diese zumeist
nie. Seit zwei Tagen kämpft die Polizei, ein anderes Wort würde die
Lage kaum treffen, dort wieder gegen Jugendbanden, die einen Unfall
zum Anlass nehmen, ihrer Wut und Hoffnungslosigkeit freien Lauf zu
lassen. Beide Seiten waren bisher schon in der Wahl ihrer Mittel
nicht besonders zimperlich. Doch dieses Mal bekommt die Sache deshalb
eine hochgefährliche Wendung, weil nicht mehr nur mit Steinen,
Baseballschlägern und Molotowcocktails auf die Straße gegangen wird,
sondern auch mit Schusswaffen. Es ist deshalb nur eine Frage der
Zeit, bis die Polizei scharf zurückschießt und es Tote gibt. Deshalb
muss Präsident Sarkozy sofort und dieses Mal nachhaltig handeln, wenn
er heute aus China zurückkehrt. Vor zwei Jahren wollte er die tristen
Vorstädte mit den schönen Namen noch großmäulig mit dem "Kärcher³
reinigen. Schon die Wortwahl, aber vielmehr noch die Geisteshaltung,
die dahintersteckt, ist mit dem Selbstverständnis einer Demokratie
völlig unvereinbar. Sarkozy ist jetzt noch weit mehr in Bedrängnis.
Findet er nämlich keinen Weg, die Lage schnell, dauerhaft und vor
allem rechtstaatlich zu befrieden, könnten die Vorstadtguerillas bald
auch auf den Champs-Elysees um sich schießen. Sie brauchen bloß die
Metro zu nehmen.
Quelle: Pressemitteilung Allgemeine Zeitung Mainz