Westfalen-Blatt: zum Jobabbau in der Textilbranche
Archivmeldung vom 22.02.2019
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Freigeschaltet durch André OttWie passt das zusammen? Einerseits geht die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland seit Jahren zurück. Auch aktuell sind mehr Leute in Beschäftigung als vor einem Jahr. Unternehmen und sogar ganze Branchen klagen über Fachkräftemangel. Doch dazwischen mischen sich Nachrichten, dass Stellen wegfallen und Beschäftigte entlassen werden. Sehr augenfällig ist der Jobabbau in der Modebranche.
Doch es gibt ihn auch anderswo - auch bei großen Namen in OWL wie Miele, Diebold Nixdorf und Nagel. Einige stehen im Zusammenhang mit Insolvenzen: Schuhpark, Frommholz, Wellemöbel... Wie immer empfiehlt es sich auch hier, zu differenzieren und Ursachen sehr genau unter die Lupe zu nehmen. Meist fällt der Blick zuerst auf Management-Fehler - nicht bedenkend, dass sich der Verzicht auf Jobabbau später auch als Management-Fehler herausstellen kann. Das gilt zumal in Zeiten, in denen die Digitalisierung im Verbund mit Globalisierung kompletten Geschäftsmodellen den Boden entzieht. Gerade wurde die Serie von Hiobsbotschaften aus der Bekleidungsbranche wieder länger, weil Seidensticker 120 betriebsbedingte Kündigungen angekündigt hat. Demgegenüber ist Gerry Weber nach Escada und Schiesser, deren Insolvenzen nur einige Jahre zurückliegen, der gravierendste Fall des Absturzes einer Marke, die einst Leuchtturm-Charakter besaß.
In Herford versucht Ahlers, durch Aufgabe der Marke Jupiter und Jobabbau der Krise Herr zu werden. Außerhalb von OWL liefert der Marktführer für Herrenbekleidung, die Boss AG, wieder bessere Zahlen. Das Heil für die ebenfalls kriselnde Tom Taylor AG soll ein neuer Mehrheitseigentümer bringen. Vor einer noch größeren Herausforderung als die Produzenten stehen die mittelständischen Modehäuser. Wenn sie schließen, erfährt davon in der Regel nur die lokale Öffentlichkeit. Aber auch Handelsketten, auf den ersten Blick beim Ausbau des E-Commerce-Angebots im Vorteil, sind nicht immun, wie die Insolvenz von AWG gerade erst in Erinnerung rief. Grundsätzlich könnte es einem Produzenten egal sein, ob er seine Ware in einem Modehaus oder online verkauft.
Und sicher hätte Seidensticker noch eine Weile über die Ausgliederung der Logistik nachgedacht, wäre da nicht der Verlust der Masterlizenz für Camel active hinzu gekommen. Alles zusammen plus die fortschreitende Digitalisierung der Geschäftsprozesse führten dazu, dass die Logistik geschlossen wird - eine Entscheidung, die Familienunternehmen grundsätzlich besonders schwer fällt. Zu wünschen wäre es, wenn möglichst viele, die ihre Jobs verlieren, von Firmen aufgefangen würden, die sich über Fachkräftemangel beklagen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Betroffenen mehr und früher Angebote zur Umschulung und Weiterbildung erhalten.
Quelle: Westfalen-Blatt (ots)