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Börsen-Zeitung: Krise und kein Ende

Archivmeldung vom 27.11.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Alle Hoffnungen, dass die Hilfen für Griechenland, der 750 Mrd. Euro schwere Rettungsschirm und zuletzt die Entscheidung Irlands, EU-Hilfen in Anspruch zu nehmen, für Entspannung sorgen würden, haben sich zerschlagen. Die Schuldenkrise weitet sich, von trügerischen Ruhephasen unterbrochen, immer weiter aus. Kurz vor dem Jahreswechsel gewinnt die Entwicklung in der Peripherie Eurolands erheblich an Brisanz.

Kaum hatte Irland um EU-Hilfe nachgesucht, wurde bereits Portugal als der nächste vor dem Kippen stehende Dominostein gehandelt. Von da war es für die Märkte nur noch ein kleiner Schritt, mit Spanien ein großes Land ins Visier zu nehmen. Der Risikoaufschlag zehnjähriger Anleihen der Iberer gegenüber deutschen Staatspapieren hat die Obergrenze vom Sommer von rund 220 Basispunkten (BP) durchbrochen und Rekordhöhen von mehr als 250 BP erreicht. Auch die CDS-Spreads, d.h. die Prämien für die Versicherung gegen den Ausfall des Schuldners Spanien, haben Höchststände erreicht.

Fiele auch noch Spanien, wäre das der Super-GAU. Weltweit heftige Turbulenzen an den Finanzmärkten wären ebenso eine unausweichliche Folgen wie erheblich verstärkte Zweifel an der Zukunft der Währungsunion. Allerdings ist es noch lange nicht so weit. Spanien ist mit den kleinen Peripheriestaaten nicht zu vergleichen, so schlimm auch die Folgen des Immobilienwahnsinns und so erschreckend auch die bei 20% liegende Arbeitslosenquote sein mögen. Der Schuldenstand ist mit knapp 65% des Bruttoinlandsprodukts wesentlich niedriger als in Griechenland und Portugal. Er ist sogar niedriger als in Frankreich und Deutschland. Die spanische Volkswirtschaft ist wesentlich breiter aufgestellt als die kleinen Peripheriestaaten, und das Land verfügt mit Firmen wie z.B. Telefónica und Banco Santander über global aufgestellte, solide Großkonzerne, die gerade in den sehr aussichtsreichen lateinamerikanischen Volkswirtschaften gut positioniert sind.

Es ist jedoch zu befürchten, dass rationale Argumente in einem von Angst geprägten Klima vorerst wirkungslos sein werden und somit der Euro zunächst unter Druck bleiben und die Risikoprämien Spaniens weiter klettern werden. Für zusätzliche Nervosität dürfte dabei sorgen, dass das Land in diesem Jahr noch zwei Anleiheauktionen durchführen wird: in der dreijährigen Laufzeit am nächsten Donnerstag sowie mit 10- und 15-jährigen Emissionen am 16.Dezember.

Bemerkenswert ist, wie unbeeindruckt der deutsche Aktienmarkt seine Klettertour fortsetzt. Zwar hat die neuerliche Verschärfung der Schuldenkrise den Anstieg des Dax auf 7000 Zähler zunächst verhindert. Viel fehlt dem Index aber nicht, und zuletzt hat er erstmals seit zweieinhalb Jahren einen Stand von 6900 Punkten erreicht. Kein anderer der größeren Aktienmärkte der Welt kann in diesem Jahr mit dem deutschen Standardwerte-Barometer mithalten. Die Outperformance ist leicht erklärbar. China ist in diesem Jahr wieder in den Boom-Modus mit Wachstumsraten von 10% zurückgekehrt, und die deutsche Industrie, die aufgrund von Lohnzurückhaltung und Kostendisziplin ihre Wettbewerbsfähigkeit stark erhöht hat, verfügt über das dazu passende Produktportfolio. Wenn also die Schuldenkrise nicht in der Lage ist, den Aktienmarkt einzuschüchtern, dann vielleicht irgendwann einmal China.

Wenn der viel zitierte Sack Reis in China umfällt, muss das nicht unbedingt Folgen für den Dax haben. Anders sieht es aber aus, wenn sich der Sack binnen Jahresfrist prozentual zweistellig auf ein rekordhohes Preisniveau verteuert. Kurzum: Die derzeit stark anziehende Inflation im Reich der Mitte könnte in absehbarer Zeit auch für den deutschen Aktienmarkt zum Problem werden. Denn die chinesischen Behörden könnten bei weiter nach oben schießenden Nahrungsmittelpreisen und Inflationsraten unter Druck geraten und zu wesentlich unsanfteren Bremsmaßnahmen greifen als bisher. Das könnte das Wachstum des Landes und damit auch seine Nachfrage abschwächen. Bereits die Ankündigung stärkerer Gegenmaßnahmen dürfte ausreichen, um am deutschen Aktienmarkt für Unruhe zu sorgen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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