WAZ: Bush und der Afghanistan-Einsatz
Archivmeldung vom 31.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDass George W. Bush die Forderung nach einem Bundeswehr-Einsatz im Süden Afghanistans aufgegeben hat, hat nichts mit Altersmilde zu tun. Es ist das nüchterne und realistische Eingeständnis, dass man mit einem solchen Einsatz derzeit einfach nicht rechnen kann, weil es dafür in Deutschland keine Mehrheit gäbe - weder im Parlament noch in der Öffentlichkeit.
Deshalb, und nur deshalb, sagt jetzt auch Bush, dass es keinen Sinne habe, von den Partnern etwas zu verlangen, "wozu sie politisch nicht in der Lage sind".
Es wäre falsch, dieses Eingeständnis als Sinneswandel der
US-Regierung zu interpretieren, oder, noch unzutreffender, als Erfolg
der deutschen Diplomatie. Richtig ist, dass der Streit fürs Erste auf
Eis gelegt wird, weil alle Argumente ausgetauscht und alle
politischen Tricks schon einmal versucht worden sind. In dieser
Frage, das haben jetzt auch die Amerikaner verstanden, tut sich
vorläufig gar nichts. Aber - und das ist in Deutschland vielleicht
noch nicht richtig verstanden worden - es wird nicht lange dauern,
bis das Thema wieder auf den Tisch kommt, und zwar mit denselben
Forderungen und Vorhaltungen: Warum sollen Amerikaner und andere in
einer gemeinsamen Nato-Mission allein in die umkämpften Regionen
gehen, während sich Bündnispartner wie Deutschland dem gefährlicheren
Teil der Mission einfach verweigern?
Die USA werden 2009 einen neuen Präsidenten bekommen. Der wird
nach Lage der Dinge John McCain, Barack Obama oder Hillary Clinton
heißen. Gemeinsam haben alle drei, dass sie im Wahlkampf von
Deutschland den Militäreinsatz im Süden Afghanistans gefordert haben.
Das werden sie auch als Präsident tun. Und dann wird es für
Deutschland jedenfalls schwerer, diese Forderungen zurückzuweisen.
Denn Bush hat längst das Vertrauen verspielt, das nötig wäre, um
die Nato-Partner von der Notwendigkeit des gefährlichen Einsatzes zu
überzeugen. Der neue Präsident dagegen, wenn er es geschickt
anstellt, kann mehr Unterstützung verlangen, wenn er seinerseits eine
engere und vertrauensvollere Zusammenarbeit mit den Europäern
anbietet. Bush zu widersprechen, das ist am Ende seiner turbulenten
Präsidentschaft fast schon Ehrensache für viele Europäer - zumal die
eigene Öffentlichkeit es geradezu erwartet. Sich einem Präsidenten
Obama oder McCain zu verweigern, der versuchen muss, die von Bush
geerbten Kriege und Krisen irgendwie in den Griff zu bekommen, wird
für die Europäer sehr viel schwieriger sein.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Markus Günther)