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WAZ: Der Präsident entscheidet selbst

Archivmeldung vom 15.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die meisten Menschen mögen Horst Köhler. Wo der Bundespräsident auftaucht, wird er schnell von vielen Bürgern umringt, die ihn loben, um Rat fragen oder einfach mal nur anfassen wollen. Man kann darüber hochnäsig spötteln oder solche Begebenheiten für unpolitisch halten, aber: Sie sind zutiefst menschlich.

Köhlers Beliebtheit gründet gerade nicht auf dem politischen, sondern dem menschlichen Faktor. Er wird gemocht, weil er anders spricht als das Polit-Establishment, viel bodenständiger, bisweilen sein Herz auf der Zunge trägt und, kurzum: ein glaubwürdiger Vertreter der praktischen Vernunft ist. Es sind aber genau diese Eigenheiten, die Horst Köhler in dem politischen Betrieb in Berlin nach wie vor als eine Art sympathischer Fremdkörper erscheinen lässt. Horst Köhlers Beliebtheit als Anti-Politiker erklärt, weshalb die politische Klasse mit dem Mann fremdelt. Deswegen erscheint die Wiederwahl-Diskussion so kühl, technokratisch, leidenschaftslos. Von den Parteien - mit Ausnahme der Linken - wird Köhler favorisiert, weil sie glauben, keine andere Wahl zu haben.

Denn auch mit seiner ganz persönlichen Politik-Mischung ist Köhler ein Außenseiter. Wenn die SPD plant, einmal etwas Positives loszuwerden über Köhler, lobt sie seine Reden über Afrika. Dabei ist Entwicklungshilfe für die Traditionspartei auch nur ein Nischenthema. Für die Merkel-Union kann der liberale Präsident schon lange nicht mehr als eine Art von Resonanzkörper funktionieren; liberal will die Merkel-Union nicht mehr sein. Einzig die Liberalen freuen sich aufrichtig über Köhler. Kunststück, er ist, wovon Westerwelle träumt: ein Vorzeige-Liberaler, der in und für Deutschland im Spitzenamt etwas zu sagen hat.

Wird Köhler wiedergewählt, dann nicht weil, sondern obwohl er ein Liberaler ist. Ein schönes Paradoxon, den Machtverhältnissen geschuldet. Vielleicht gibt es nach der Bayern-Wahl in der Bundesversammlung eine Mehrheit für einen rot-rot-grünen Kandidaten, aber dieses Signal kann die SPD ganz gewiss nicht brauchen zur Bundestagswahl. Und sich mit der FDP wegen einer denkbaren Ampelkoalition auf eine Alternative zu verständigen, kommt für die Liberalen nicht infrage. Warum auch: Sie haben ihren Favoriten doch längst untergebracht im gewünschten Amt.

Und so braucht Horst Köhler nur noch abzuwarten. Auf den aus seiner Sicht symbolträchtigsten Tag, seine Bereitschaft zu erklären. Der 23. Mai bietet sich an, der Verfassungstag. Das Volk wird's freuen.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Ulrich Reitz)

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