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Das WESTFALEN-BLATT zu Gabriel in Sachen Wulffs Kreditaffäre

Archivmeldung vom 29.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Für Sigmar Gabriel ist Christian Wulffs Kreditaffäre ein Geschenk des Himmels. Während der Bundespräsident von einer Peinlichkeit in die nächste stolpert, gibt der SPD-Vorsitzende den Gönner: Nein, nein, Wulffs Rücktritt wolle man nicht, ließ Gabriel wissen. Der großzügigen Geste fügte er die größtmögliche Begründung hinzu: Beim zweiten vorzeitigen Abgang eines Bundespräsidenten in Folge drohe eine Staatskrise, und daran könne doch nun wirklich niemandem gelegen sein. Gabriel spielt den Staatsmann, und man fragt sich, ob er selbst glaubt, was er da sagt.

Dem SPD-Chef geht es schlicht um Taktik. Das ist legal und auch ganz legitim im parlamentarischen System, kommt im Mantel der Moral aber trotzdem schicker daher. Die vordergründige Unterstützung für Wulff gibt Gabriels Kritik quasi höhere Weihen. So kann er das Thema am Kochen halten und Wulff zugleich wie einen Bundespräsidenten von seinen Gnaden aussehen lassen.

Die fortgesetzte Erklärungsnot schadet ja längst nicht nur Wulff selbst, sondern auch Angela Merkel. Immerhin war es die Kanzlerin persönlich, die Wulff für das Amt des Staatsoberhaupts ausgewählt hat. Und die Kreditaffäre schadet dem gesamten schwarz-gelben Regierungslager, das Wulff nur unter schwersten Mühen ins Amt gebracht hat. Viel mehr kann sich Gabriel derzeit kaum wünschen. Denn noch fehlt der Opposition die Mehrheit für einen eigenen Kandidaten. Das kann sich ändern, wenn im Mai in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt wird. Den Prognosen zufolge ist mit Konsequenzen für die Zusammensetzung der Bundesversammlung durchaus zu rechnen. Fürs Erste aber nützt der SPD ein schlingernder Präsident im Amt am meisten.

Das alles heißt nicht, dass Gabriels Sorge um die Würde des Amtes unberechtigt ist. Immerhin würde in knapp zwei Jahren der dritte Präsident gesucht - nach dem aus dem Amt geflohenen Horst Köhler, dem nicht ins Amt gelassenen Präsidenten der Herzen Joachim Gauck und schließlich Christian Wulff. Die Frage liegt nahe: Wer von Rang und Namen wollte freiwillig dritte Wahl sein? Auch über die Moralansprüche, die heute an Funktionsträger fast jeder Art gestellt werden, ließe sich trefflich streiten. Das Dumme ist nur, dass es sich im Fall Wulff eben nicht um eine einmalige Verfehlung handelt, sondern kaum ein Tag ohne neue Eingeständnisse vergeht. So hat auch der Weihnachtsfriede nicht lange gehalten.

Auf Wulffs Rücktritt kommt es am Ende gar nicht mehr an. Viel wird er dem Amt nicht mehr geben können - so oder so. Dieser Präsident wird sein Amt nicht retten, allenfalls rettet das Amt ihn über die Zeit. 2015 aber, wenn spätestens wieder gewählt wird, sieht Gabriel längst eine rot-grüne Bundesregierung an der Macht, die dann einen eigenen Kandidaten zum Bundespräsidenten wählen kann, ohne auf einen Konsens mit der CDU/CSU angewiesen zu sein. Vielleicht sogar ihn selbst. Die Rolle des Staatsmanns übt er ja schon.

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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