WAZ: Die Deutschen sind glücklich: Neue Töne im Land des Jammerns
Archivmeldung vom 13.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls Deutscher hat man sich zum Thema Glück bislang nicht allzu oft äußern dürfen. Wir haben es ja eigentlich mehr mit dem Unglück. Der düstere Blick auf die Welt als Hort der Düsternis hat dazu geführt, dass uns der Rest der Welt als Trauerklöße verlacht und die einschlägige Fachliteratur von Begriffen wie "German Angst" durchzogen ist.
Dass nun zwei Drittel der Deutschen den Sinn des Lebens im
Glücklichsein ansiedeln, ist also erstmal eine kleine Revolution. Sie
kommt, und auch das ist vielleicht typisch deutsch, eher gemächlich
daher. Das ist beim Glück aber auch nicht ungewöhnlich. Glück keimt
zunächst im Verborgenen. Glück ist persönlich. Man kann es haben, man
kann es sein, jeder zählt bei dieser Rechnung auch andere Dinge
zusammen, und erst in der Summe offenbaren sich flächendeckende
Verschiebungen.
Man hatte allerdings schon seit längerem gespürt, dass sich etwas
verändert in diesem Land. Das Jammern wurde leiser. Mundwinkel zogen
sich nach oben. Und das ausgerechnet in einer Zeit, die uns nun
wirklich eine Menge abverlangt. Zur Woge verdichteten sich diese
atmosphärischen Strömungen erstmals während der
Fußball-Weltmeisterschaft. Das Land feierte nicht nur eine fröhliche
Party, sondern auch sein neues Selbst. Und der Rückschlag wird
seitdem nicht wie einst mit Wonne als Ende aller Hoffnungen beweint.
Zur Verkündung eines Quantensprungs reichen diese Ergebnisse noch
nicht. Dazu sind sie zu unscharf. Man sollte sich auch hüten, die
falschen Schlüsse zu ziehen. Wir leben nicht plötzlich im Land des
Lächelns. Arbeitsplatz, Terrorbedrohung, Klimakatastrophe - Probleme
gibt es wahrlich genug.
Doch es kommt natürlich darauf an, wie man damit umgeht. Der
glückliche Mensch glaubt an sich selbst, übernimmt gerne
Verantwortung und ist vielseitig interessiert, heißt es in der Studie
des Allensbacher Instituts. Das sollten wir als Auftrag begreifen.
Was so alles zum Glücklichsein gezählt wird und wen man als
glücklichen Menschen empfindet, ist aber auch höchst aufschlussreich.
Familie, Partnerschaft und Freunde stehen offenbar ganz oben auf der
neuen Liste. Wohlstand und Erfolg im Beruf dagegen nicht. Ist das
wirklich so? Und Michael Schumacher, Steffi Graf oder Günther Jauch,
empfinden wir die als glücklich und Angela Merkel nicht, nur weil
Sportler und Quiz-Onkel professioneller in die Kamera lächeln als die
Bundeskanzlerin?
Noch einige offene Fragen also, und dennoch schon jetzt eine bemerkenswerte Erkenntnis: Im Land des Jammerns tut sich was.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung