Westdeutsche Zeitung: Nach Bush muss endlich gehandelt werden
Archivmeldung vom 09.07.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas wird wohl George W. Bush im Jahr 2050 tun? Vielleicht wird der 104-Jährige zum Telefon greifen, seine alte Freundin Angela Merkel, dann 95, anrufen und sagen: "So ein Jammer. Wir haben unsere Emissionsziele von 2008 verfehlt."
Naja, wahrscheinlicher ist wohl, dass es keine 40 Jahre dauern wird, bis die windelweiche Erklärung von Toyako in Vergessenheit geraten ist. Der Klimawandel wird es nicht. Dafür werden Naturkatastrophen, Flüchtlingsströme und die ersten im Ozean verschwindenden Inseln sorgen. Und das Tückische am Weltklima ist, dass es erst in Jahrzehnten auf das reagiert, was ihm heute in Form von Treibhausgasen angetan wird. Uns bleiben noch ungefähr zehn Jahre, sagen Wissenschaftler, um den weltweiten Anstieg der jährlichen CO2-Emissionen zu stoppen. Danach müssen sie zügig reduziert werden. Das wäre ein Ziel, das wäre tatsächlich ein Durchbruch gewesen.
Was alle internationalen Klima-Gespräche blockiert, ist der Beschützer-Reflex der Regierungen: Bloß keine Belastungen für die heimische Wirtschaft! Dabei zeigt das Beispiel Deutschland, dass Klimapolitik die Wirtschaft ankurbeln kann. Ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz unter Rot-Grün wäre Deutschland heute nicht Weltmarktführer bei Windkraft und Solarenergie. Grundlage für solche Entwicklungen waren ehrgeizige Klimaschutzziele, die die Regierung zum Handeln zwangen.
Dass Bush kurz vor dem Ende seiner Amtszeit nicht mehr als diese Erklärung zu entlocken war, dürfte allerdings nirgends Verwunderung ausgelöst haben. In der internationalen Gemeinschaft setzt sowieso niemand mehr auf ihn. Alle warten auf den neuen US-Präsidenten und hoffen, dass der - egal ob er McCain oder Obama heißt - die Notwendigkeit zum schnellen Handeln und die Chancen für die eigene Wirtschaft erkennt.
Bei der Klimakonferenz im nächsten Jahr müssen die Industrienationen dann Farbe bekennen: Entweder sie setzen sich ein ehrgeiziges, zeitlich nahes Ziel, oder die Boom-Staaten China und Indien werden ihnen die kalte Schulter zeigen, wenn es um deren Beitrag zum Klimaschutz geht. Vorwerfen dürfte man es ihnen nicht: Ein Inder kommt auf 900 Kilogramm CO2 pro Jahr, ein Deutscher auf rund 10 000.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Stefan Küper)