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LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Scharon

Archivmeldung vom 06.01.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.01.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der liebe Gott meint es nicht allzu gut mit seinem auserwählten Volk. Vor gut zehn Jahren nahm er ihm Yitzhak Rabin und warf mit dessen Tod den Friedensprozess um Längen zurück. Nun geht die Ära Ariel Scharon vorzeitig zu Ende und wieder versiegt die Hoffnung, die Region zu befrieden. Denn niemand außer der um sein Leben ringende Regierungschef scheint derzeit in der Lage zu sein, Israel zu einer Lösung mit dem palästinensischen Volk zu führen.

Beide Regierungschefs versäumten, sich beizeiten einen Erben zu suchen, der ihren Weg fortsetzen würde. Bis gestern Abend stand der Sieger der Parlamentswahlen fest. Scharons neue Liste Kadima ließ allen Umfragen zufolge die anderen Parteien weit hinter sich. Scharon würde mit neuer Koalition unter veränderten und für den Frieden günstigeren Vorzeichen eine starke Regierung bilden - so schien es. Doch nun ist plötzlich der Wettlauf zum höchsten Regierungsposten wieder völlig offen, und die Chefs von Likud und Arbeitspartei wittern eine überraschende Chance. Ein Teil derjenigen Politiker, die die großen Fraktionen zu Gunsten der Kadima verließen, mag reumütig zum parteilichen Zuhause zurückkehren, sollte sich für sie die Gewissheit durchsetzen, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Drei Namen stehen zur Debatte, Israel ab Ende März zu regieren: der rechts-nationale Benjamin Netanjahu, der ehemalige Gewerkschaftschef und Sozialpolitiker Amir Peretz und Ehud Olmert, Kadima-Politiker, der derzeit die Amtsgeschäfte im Regierungshaus leitet. Keiner der drei Politiker verfügt gleichzeitig sowohl über den Willen als auch über die politische Erfahrung und den Rückhalt im Volk, um die schmerzlichen Zugeständnisse durchzusetzen, die nötig wären für das Erreichen einer Friedenslösung.
Ob Ariel Scharon seinem Land tatsächlich den Frieden gebracht hätte, wird der Welt auf ewig ein Rätsel bleiben. Zu vage sind seine eigenen Stellungnahmen zur Fortsetzung der Roadmap, des internationalen Friedensplanes einerseits und die konkreten Regierungsentscheidungen andererseits. Nicht selten standen diese sogar in direktem Gegensatz zum Friedensprozess, wenn es etwa um den Bau jüdischer Siedlungen ging.
Fest steht, dass sich Scharon mit der Gründung der Kadima die letzten Hindernisse auf dem Weg zu einem Kompromiss beiseite geräumt hatte. Scharon entwickelte sich immer mehr zum Realpolitiker. Durch seine Krankheit fehlt Israel ein wichtiger starker Mann, der die Kraft hatte, Politik zu gestalten und durchzusetzen. Wichtige Eigenschaften, die nötig sind in einer Zeit, in der die Verbalangriffe aus Teheran die Lage für Israel nicht sicherer gemacht haben.

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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