Neues Deutschland: zu Gewerkschaften und heißer Herbst
Archivmeldung vom 11.11.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.11.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMichael Sommer hatte recht: Der Herbst 2010 ist ein heißer geworden. Nur eben nicht so, wie der DGB-Chef ihn prophezeit hatte. Die wirklich hitzigen Auseinandersetzungen mit der schwarz-gelben Regierung fanden - bei aller Wertschätzung für den Protest gegen soziale Kälte am vergangenen Wochenende in Hannover - nicht unter Führung der Gewerkschaften statt.
Bürgerinitiativen in Stuttgart und im Wendland haben in den letzten Tagen und Wochen dem Merkel-Kabinett gezeigt, was eine Harke ist - ihr Widerstand gegen einen unverschämt teuren Bahnhof oder die noch unverschämtere Laufzeitverlängerung für AKW brachte Tausende auf die Straße und Millionen Sympathisanten an die Bildschirme. Die vollmundig angekündigten massiven Sozialproteste gegen die Rente mit 67, die Gesundheitsreform und Billiglöhne laufen indes unter ferner liefen - und dürften die Regierenden wenig schrecken. Das mögen die Organisatoren als ungerecht empfinden, schuldlos aber sind sie daran nicht. Solange die Gewerkschaften sich zu einem Schulterschluss aller Gebeutelten im Lande nicht entschließen können, sich nach wie vor von Arbeitslosenverbänden abgrenzen, Hartz-IV-Verschlimmbesserungen nicht ernsthaft als ihr Thema entdecken, gelten sie vielen nicht als Garant für Veränderungen. Aber die Zeiten der Sozialpartnerschaft sind längst vorbei - mit lauwarmem Protest auf der Basis alter Rituale lockt man heute nur wenige hinterm Ofen hervor.
Quelle: Neues Deutschland