Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Nepal
Archivmeldung vom 08.05.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLange hat es nicht gedauert. Nur etwa acht Monate hielt sich die von Maoisten geführte Regierung in der dünnen Höhenluft von Kathmandu. Für die meisten Nepalesen ist der Rücktritt ein Grund, aufzuatmen.
Der Allmachtsanspruch des Premierminister Pushpa Kamal Dahal, besser bekannt unter seinem Namen aus Guerilla-Zeiten »Comrade Prachanda«, hat am Ende alle anderen nur noch genervt. Formal ging es darum, ob die Regierung das Recht hat, einen General zu entlassen. Tatsächlich sollte in der Armeespitze Platz für »verdiente« Ex-Guerillakämpfer geschaffen werden. Dagegen legten sich nicht nur die anderen Parteien, sondern auch das Oberste Gericht quer. Bei den Wahlen 2008 hatten die Maoisten den größten Stimmenanteil gewonnen. Internationale Beobachter attestierten damals einen fairen Verlauf - trotz massiven Drucks der ideologisch mit dem »Leuchtenden Pfad« in einer Linie stehenden Guerilla auf die Wähler. Viele Nepalesen votierten damals vor allem deshalb für die ehemaligen Buschkämpfer, weil sie sich von deren Beteiligung an der Regierung endlich Ruhe und Frieden erhofften. Dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt. Statt sich auf die großen sozialen Probleme des armen Himalaya-Staates zu konzentrieren und wenigstens die größten Verbrechen des zehnjährigen Bürgerkriegs aufzuarbeiten, verzettelteten sich die Maoisten in einen bürokratischen Kleinkrieg. Die Bevölkerung musste den Eindruck gewinnen: Recht haben und Recht bekommen bleibt eine Frage des politischen Einflusses. Außenpolitisch nutzten die Chinesen ihren Einfluss bei den Maoisten, um ihre Tibet-Politik abzusichern. Dabei spielte Peking mit harten Bandagen. Weil Chinas Botschafter die Demonstrationen in Kathmandu vor den Olympischen Spielen nicht verhindern konnte, wurde er kurz darauf ersetzt. Klar, dass außer den Tibetern auch das Nachbarland Indien diese Entwicklung mit Sorge beobachtet hat; mehr noch: Delhi verstärkte seinerseits den Druck auf Nepal, in dem es weniger Strom und Benzin lieferte. Unbezahlte Rechnungen bildeten den offiziellen Grund. Zum Schluss wurden die Schlangen vor den Tankstellen immer länger. Strom gab es in der Hauptstadt nur noch stundenweise. Verstärkt wird die Energiekrise durch die regelmäßígen Streiks in der dem Himalaya vorgelagerten Ebene Terai, wo die Minderheit der Madeshi für ihre Rechte kämpft. Was bringt die wahrscheinliche neue Mehrparteienregierung? Auf keinen Fall eine Rückkehr zur Monarchie. Der letzte König, dessen Palast in der Hauptstadt inzwischen in ein Museum umgewandelt und allgemein zugänglich ist, genießt anders als sein Vorgänger in der Bevölkerung keine Sympathie. Nicht ausgeschlossen ist dagegen, dass der Bürgerkrieg neu aufflammt. Zu viele, vor allem junge Maoisten sahen im Frieden ihre Erwartungen enttäuscht. Statt auf einem Staatsposten landeten sie in der Arbeitslosigkeit.
Quelle: Westfalen-Blatt