Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Tom Cruise und seiner Rolle als Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Archivmeldung vom 19.07.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWeil der Scientologe Tom Cruise den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg spielt, leisten Verteidigungsminister Franz Josef Jung und Politiker von Union und FDP Widerstand. Im Bendlerblock, dort also, wo der Aufstand des Gewissens hingerichtet wurde, habe das Mitglied einer autoritären Sekte nichts zu suchen, meinen sie.
Wäre der Schauspieler dagegen Friedensaktivist, Anwalt der Armen oder
Kämpfer für die Rechte der Tiere, würden dieselben Leute den
45-Jährigen mit offenen Armen empfangen. Die hitzige Diskussion rund
um den Film »Valkyrie« ist deshalb scheinheilig, weil hier
unzulässigerweise Beruf und Privatleben vermischt werden.
Um es klar zu sagen: Natürlich darf Tom Cruise Stauffenberg spielen,
denn er tut es als Darsteller, nicht als Scientologe. Es ist nur eine
Filmrolle, sein Job. Deutsche Politiker tun gleichwohl so, als wäre
Stauffenberg ihr Eigentum und sie dürften Einfluss darauf nehmen, mit
wem Hollywood ihn besetzt.
Wenn sich Angehörige der damaligen Widerstandskämpfer, wie
Stauffenbergs Sohn Berthold, an Cruise stören, ist das ihr gutes
Recht. Sie sind persönlich betroffen, dürfen vor einem möglicherweise
kitschigen Film warnen und davor, dass ein Scientologe vielleicht
besser nicht den Hitler-Attentäter spielen sollte. Politiker als
Wahrer des Pluralismus, der Gedanken- und Meinungsvielfalt und der
Freiheit der Kunst sollten dagegen fein säuberlich trennen zwischen
privaten Ansichten eines Stars und dessen Auftritt in einem Film.
Wird jeder Darsteller künftig erst daraufhin unter die Lupe genommen,
was er denkt und woran er glaubt, bekommen wir die
Gesinnungsschnüffelei.
So aber erhält in diesen Wochen die Sekte Scientology kostenlos
Werbung. Das hat sie nicht verdient, denn bei ihr handelt es sich um
eine obskure Organisation, die den spinnerten Lehren ihres Gründers
Ron L. Hubbard folgt, sich als Elite der Menschheit versteht und für
das Bewusstsein, etwas Besseres zu sein, kräftig bei den Mitgliedern
abkassiert.
Sollte Tom Cruise während der Dreharbeiten und beim Marketing für den
Film vehement für die Sekte werben, kommen Politiker und vor allem
die Medien wieder ins Spiel. Wohlgemerkt erst dann haben sie die
Pflicht, über Scientology aufzuklären, damit Cruise seinen
Prominentenstatus nicht instrumentalisieren kann.
Zurück zum Film: Die hochkarätige Besetzung bietet eine große Chance
für Deutschland. Angesichts der, vorsichtig ausgedrückt, lückenhaften
Geschichtskenntnisse der Amerikaner wird »Valkyrie« der Bevölkerung
bei Cola und Popcorn im Kino die Tatsache vermitteln, dass es
zwischen 1933 und 1945 nicht nur unverbesserliche Nazis gab. Dieser
einseitige Eindruck wurde leider durch viele Hollywood-Produktionen
wie die »Indiana Jones«-Filme noch verstärkt. Bei »Valkyrie« muss das
Bild zwangläufig differenziert ausfallen. Amerikaner lieben Helden,
und Claus Schenk Graf von Stauffenberg war einer. Das bleibt auch so,
egal wer ihn auf der Leinwand spielt.
Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt