LVZ: Schnellschuss
Archivmeldung vom 25.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMangelndes Arbeitstempo kann der neuen Bundesregierung nicht vorgeworfen werden. Während die Kanzlerin quer durch Europa ihre Antrittsbesuche absolviert, hat sie auch zu Hause mit dem Kabinett schon erste Pflöcke eingeschlagen. Der Gesetzentwurf, der reinen Steuersparmodellen den Riegel vorschiebt, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Denn mit der staatlich sanktionierten Steuerminderung, dem
künstlichen arm rechnen, ist es nun vorbei. Eine Botschaft, die Otto
Normalsteuerzahler mit Genugtuung registrieren wird. Mangels
finanzieller Masse konnte er dieses Privileg ohnehin nie in Anspruch
nehmen. Auch deutsche Schiffsbauer können sich jetzt darüber freuen,
dass mit dem Geld einheimischer Steuerzahler die südkoreanische
Billig-Konkurrenz nicht mehr künstlich hochgezüchtet wird.
Wirtschaftlich machen diese Subventionen genauso wenig Sinn wie die
Finanzierung drittklassiger Hollywood-Schinken mittels deutscher
Geldanlagen in internationalen Filmfonds.
Das neue Gesetz ist auch eine nachträgliche Bestätigung für den
abgedankten Finanzminister Hans Eichel. Der wollte vor zwei Wochen
die bei Abschreibungskünstlern so beliebten Steuersparfonds
gesetzlich trockenlegen lassen. Eichel scheiterte am Veto seines
grünen Ministerkollegen Jürgen Trittin. Was insofern nicht
verwundert, weil sich damit auch die steuerliche Förderung der
Windenergie in Luft auflöst. Die Grünen plädierten für längere
Übergangsfristen, die sind jetzt vom Tisch. Das Gesetz gilt
rückwirkend ab 11. November.
Der steuerpolitische Schnellschuss zeigt, dass die Koalition den
finanziellen Notstand des Landes erkannt hat und ihn schnell beheben
will. Das spricht für Schwarz-Rot, aber nur auf den ersten Blick.
Denn die Kampfansage an die kreativen Pfadfinder im Steuerdschungel
fügt sich in ihrer Wirkung nahtlos in die Reihe weiterer
Sparmaßnahmen ein.
Die Halbierung des Weihnachtsgeldes bei Beamten und die Streichung
bei Zivis und Wehrpflichtigen, die Kappung der Kilometerpauschale,
das Aus für die Eigenheimzulage - eine Sparliste als Dokument der
großkoalitionären Unentschlossenheit. Während auf der einen Seite
gekürzt und gestutzt wird, um den klammen Staatshaushalt zu retten,
bleiben auf der anderen Seite die Steuersätze unverändert hoch. Dem
Bürger wird also verstärkt in die Tasche gegriffen, ohne dass er
dafür einen Ausgleich erhält.
Das ausschließliche Setzen auf die Einnahmenseite, während im
Gegenzug die von der Union im Wahlprogramm noch angekündigte Senkung
der Lohnnebenkosten ausbleibt - vom Abbau der Subventionen ganz zu
schweigen:So können die Sparmaßnahmen schnell einen Abwärtssog
auslösen. Viele werden ihr Geld noch stärker als bisher
zusammenhalten. Die Binnennachfrage dümpelt dann weiter. Und nur über
den starken Export auf die Konjunkturbelebung und die Schaffung neuer
Arbeitsplätze zu hoffen, hat sich schon unter Rot-Grün als
Trugschluss erwiesen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung