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Mittelbayerische Zeitung: Für Luft bezahlen

Archivmeldung vom 30.08.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.08.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Als Windmacher kann es Peter Altmaier noch zur großen Meisterschaft bringen. Nach 100 Tagen im Amt ist zwar keines seiner 100 000 Probleme bei der Umsetzung der Energiewende kleiner geworden. Doch der neue Umweltminister verstand es bislang, mit seiner öffentlichkeitswirksamen Selbstinszenierung vom ärgerlichen schwarz-gelben Chaos beim Ausbau des grünen Stroms abzulenken - wäre da nicht die skandalöse Frage der ungerechten Kostenverteilung.

Erst vor wenigen Tagen stapfte Altmaier barfuß durchs Watt, um jedem einzelnen Windrad an der Küste Grüßgott zu sagen. Der CDU-Politiker stieg auf eine Seehundwaage, um Deutschland mitzuteilen, dass er mit 141 Kilo ein wahrer Wonneproppen ist. Er wollte signalisieren: Hier ist ein politisches Schwergewicht, das sich um alle Details kümmert. Altmaier hätte dann aber besser darauf verzichtet, sich eine Wattschnecke zeigen zu lassen, was in Bezug auf das Tempo bei der Energiewende Symbolkraft besitzt. Denn im Vergleich zu den politischen Akteuren beim Ökostrom-Management bewegt sich das Weichtier mit Lichtgeschwindigkeit durch den Nordseeschlick. Auf dem Weg zur grünen Stromversorgung läuft so vieles schief, dass man den Verdacht bekommt, jemand fährt den Karren absichtlich gegen die Wand. Der gestrige schwarz-gelbe Beschluss zur Mithaftung der Bürger für die Offshore-Windparks setzt dem Ganzen die Krone auf. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen. Weil die Regierung den Ausbau der Stromnetze verpennt, können die Windanlagenbetreiber nur einen Teil ihres Stroms einspeisen. Abgesehen davon, dass Altmaier den Ausbau der Windräder bremst, obwohl er eigentlich Gas geben müsste: Für das politische Versagen sollen die Verbraucher zahlen, indem sie die Unternehmen für nicht verkaufte Energie entschädigen. Das wäre so, als ob wegen verstopfter Straßen vorläufig keine neuen Autos mehr zugelassen werden dürfen. Die Pkw-Hersteller bekämen aber für auf Halde fabrizierte Wagen eine Prämie, die alle Autofahrer über eine noch höhere Spritsteuer finanzierten. Mit derartigen Manövern torpediert die Regierung die bisher hohe Akzeptanz der Bürger für die Energiewende, die durch die Strompreisdebatte der vergangenen Wochen sowieso schon strapaziert ist. Obwohl Kanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr persönlich versprach, die Öko-Umlage dürfe 3,5 Cent nicht übersteigen, liegt sie bereits heute darüber. Unter anderem, weil es großzügige Ausnahmeregelungen für Unternehmen mit einem besonders hohen Stromverbrauch gibt. Umso mehr wird dafür bei Privathaushalten, kleinen und mittleren Unternehmen abkassiert. Genau diese Ungerechtigkeit aber ist es, die das gesamte Projekt der Energiewende in Misskredit bringen könnte. Hier werden die Konstruktionsfehler der EEG-Umlage deutlich. Obwohl eine sichere und bezahlbare Energieversorgung eine nationale Aufgabe wäre, sind die Lasten ungleich verteilt. Niemand stellt die Frage nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Stromkunden. Ebenso bedenklich ist, dass die Öko-Umlage einseitig die grüne Energie verteuert, obwohl sie im Gegensatz zu Kohle und Atomkraft weder ökologische noch ökonomische Folgekosten produziert. Aus umweltpolitischer Sicht gehören Wind- und Sonnenstrom von der Abgabe befreit. Dafür müsste sie auf fossile Treibhausgasschleudern und auf die Kernenergie mit ihren Risiken für die Bevölkerung erhoben werden. Das würde die wahren Kosten für die Stromerzeugung endlich ehrlich abbilden und damit ganz automatisch zu einem Öko-Boom führen. Hier könnte Altmaier beweisen, dass er mehr ist als ein Windmacher. Vor allem aber muss der Minister dem Ausbau der Übertragungsnetze höchste Priorität geben. Denn wenn sich hier weiter so wenig tut wie bisher, müssen die Verbraucher noch sehr lange für heiße Luft zahlen.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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