Rheinische Post: Magie des Fußballspielens
Archivmeldung vom 27.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMal ehrlich: Die Verblüffung war groß, als nach dem Spiel zwischen Deutschland und der Türkei die Fans beider Mannschaften friedlich feierten (bis auf wenige Ausnahmen). An diesem Abend der türkisch-deutschen Fahnenmeere blitzte die Magie des Spielens auf.
Sport ist Wettkampf ohne Feindschaft, Schicksal ohne Schicksalsschlag ein Kräftemessen voller Leichtigkeit des Seins. Jedes Spiel, auch jedes Fußballspiel, trägt eben so etwas wie eine Vision von befriedeter Macht in sich, schon deshalb, weil alle sich den gleichen Regeln unterwerfen. Im richtigen Leben ist es meist ganz anders. Kampf ist regellos; und das Gesetz des Geschichte heißt nun mal: Vae victis, wehe den Besiegten. Im Spiel aber stehen sich Sieger und Besiegte am Ende auf Augenhöhe gegenüber, und die Parole heißt: auf ein Neues. Darin taugt Sport eben doch zu dem, was man etwas pathetisch, aber zutreffend als völkerverbindend bezeichnet. Wenn solche Momente spürbar glücken, entfaltet Sport auch politische Kraft: Der Spaß am gemeinsamen Spiel stiftet ein Milieu der Entspannung, in dem echte Aggressivität geächtet wird. Ein solcher Moment war der Abend des Halbfinales. Man verfällt nicht in Multikulti-Seligkeit, wenn man sagt: Dieser türkisch-deutsche Fußball-Rausch hat möglicherweise mehr für die Integration bewirkt als viele gut gemeinte Appelle.
Quelle: Rheinische Post (von Jens Voss)