Wackelige Prognose
Archivmeldung vom 16.03.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićIn den vergangenen Jahren hat Volkswagen über Geschäftsjahreszahlen, Dividendenvorschlag und Ausblick in der Regel zwei Wochen vor der Bilanzvorlage informiert. In diesem Jahr hat Europas größter Fahrzeugbauer nur eine kleine Lücke zwischen den Terminen gelassen und mit der Veröffentlichung einer Prognose gezögert. Seit vorigem Freitag liegt sie vor. Optimistisch gehen die Wolfsburger in diesem Jahr von bis zu 10% steigenden Fahrzeugauslieferungen und von bis zu 13% auf Rekordniveau anziehenden Erlösen aus. Auch eine höhere Umsatzrendite als 2021 wird für möglich gehalten.
Die Ankündigungen basieren auf Erfahrungen in den vergangenen zwei Jahren. Trotz Coronakrise und damit verbundener Folgen wie Engpässen bei der Versorgung mit Halbleiterprodukten hat VW 2021 die pandemiebedingte Delle bei Erlösen und Gewinn hinter sich gelassen. Der weltweite Fahrzeugabsatz ging zwar um gut 6% zurück, doch der Verkauf von margenstärkeren Fahrzeugen wie der Sport- und Premiummarken sowie höhere Preise sorgen für Auftrieb bei der Umsatzrendite.
Porsche etwa hat die Position als einer der profitabelsten Autohersteller untermauert. Mit einer operativen Marge von 16,5% lassen sich Vorbereitungen der VW-Tochter auf einen möglichen Teilbörsengang im vierten Quartal leichter angehen. Dass 2021 mehr vollelektrische Taycan-Modelle als 911er an Kunden gingen, lässt darauf schließen, dass das Geschäftsmodell des Sportwagenbauers auch in der E-Autowelt funktionieren wird. Die zunehmende Nachfrage nach Modellen aus seiner wachsenden Elektrofahrzeugflotte kann den Konzern insgesamt ermutigen, auch wenn frühere Erfolge aus der Verbrenner-Ära erst noch bestätigt werden müssen, so in China. Fortschritte bei Kostenentlastungen sowie eine starke Finanzdienstleistungssparte tragen dazu bei, dass sich der VW-Konzern robuster aufgestellt sieht.
Vor diesem Hintergrund ist auch der Vorschlag, die Dividende um mehr als 50% anzuheben, als Signal der Zuversicht zu verstehen. Doch lässt die aktuelle Prognose sehr viel gravierendere Folgen des seit fast drei Wochen andauernden Kriegs in der Ukraine außen vor. Deutliche Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie oder Ausfälle bei der Zulieferung von Bauteilen, die für Produktionsunterbrechungen sorgen, könnten nur ein erstes Kapitel schwerer Verwerfungen sein. Dass sich VW mehr Zeit für den Ausblick gelassen hat, zeigt die Verunsicherung an. Prognosen wie die aus Wolfsburg sind derzeit sehr wacklig.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Carsten Steevens