Frankfurter Neue Presse: Deutscher Humor mit Bügelfalte
Archivmeldung vom 24.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMan frage einen Engländer, was er von deutschem Humor halte. Er wird aufstöhnen: "Oh my God!" Dann wird er scherzhaft einen Befehl bellen, ein paar Meter im Stechschritt marschieren und dabei die Hand zum militärischen Gruß an die Schläfe reißen. In den Augen der Welt trägt der deutsche Humor eben noch immer Uniform und Erobererblick.
Dass die Deutschen selbst über sich und ihr Deutschsein längst lachen können, ist auch das unermessliche Verdienst von Loriot. Er, der Offizierssohn, hat nicht nur einzelne Typen bespöttelt. Er hat sich gleich den ganzen Nationalcharakter vorgenommen. Völlig unpolitisch, aber mit unnachahmlicher Komik zeigen seine Sketche, wie Höflichkeit, Korrektheit oder Ordnungssinn umschlagen in Steifheit und Ungelenkigkeit und sich schließlich in ihrer eigenen Kompliziertheit verheddern. Nichts ist Loriots Witzfiguren fremder als Spontanität. Noch in der Badewanne stellen sie sich einem unbekannten Gegenüber erbarmungslos mit Doppel-Nachnamen und Doktortitel vor. Der Schalk des Vicco von Bülow ist preußisch schlicht, klar und genau, nie laut oder auftrumpfend. So kann er nun, nach Jahrzehnten des Lacherfolgs, als klassisch gelten und über allem schweben, was jüngere Komiker und Komödianten heute aus dem Stegreif für den unmittelbaren Moment produzieren. Ein Mario Barth mag mühelos die Fußballstadien füllen. Doch nach dem Schlussapplaus hinterlässt er mehr leere Pappbecher als satirische Nachwirkung.
Quelle: Frankfurter Neue Presse (ots)