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WAZ: Die SPD und die Linkspartei

Archivmeldung vom 11.08.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es müssen unsagbar schmerzhafte Macht-Entzugserscheinungen sein, die die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti antreiben. Was sonst könnte so stark und beherrschend sein, dass sie jede Art von gesamtparteilichem Interesse vergessen lässt?

Es sind keineswegs nur Journalisten oder Politologen, die dieser Frage nachspüren, sondern auch Ypsilantis Parteifreunde. Selbstverständlich wissen sie, wie schwer es der starrköpfigen Sozialdemokratin fällt, mitansehen zu müssen, wie der von den Wählern so heftig abgestrafte CDU-Ministerpräsident Roland Koch mit einer hauchdünnen Mehrheit und nur geschäftsführend weiterregieren darf. Natürlich wissen sie, dass es der entscheidende Fehler war, eine zunächst für alle Kommunal- und Landesverbände geltende Brandmauer zur Linkspartei aufgebaut zu haben. Sie wissen aber vor allem eines: Sollte Andrea Ypsilanti der Versuchung nicht widerstehen, nicht nur ihre persönliche Glaubwürdigkeit, sondern die der SPD insgesamt wäre ruiniert.

Die SPD käme infolgedessen aus dem Rechtfertigungs-Hamsterrad nicht mehr heraus. In Hessen gerne mit der Linkspartei, im Saarland vielleicht, in Thüringen eher nicht, bei der Bundespräsidentenwahl nur im Notfall, bei den Bundestagswahlen dagegen auf keinen Fall: Es ist ein abstrus abenteuerlicher Gedanke, dass die Wähler dieses argumentative Durcheinander erstens verstehen und zweitens akzeptieren könnten.

Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass sich die Voraussetzungen für etwaige SPD-Links-Bündnisse von Ort zu Ort, von Land zu Land unterscheiden. Aber noch befindet sich das Verhältnis der SPD zur Linkspartei in einem Stadium der grundsätzlichen Unklarheit - zudem gibt es von Nord bis Süd reichlich Sozialdemokraten, die die Mitglieder und Sympathisanten der Linkspartei als unzuverlässige Utopisten und Populisten verunglimpfen. Die SPD müsste das Kunststück vollbringen, den Wählern vor und nach jeder Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahl zu erklären, warum sie nicht eine einzige, sondern drei oder vier Strategien gegenüber der Linkspartei verfolgt.

Es geht bei Andrea Ypsilantis Pokerspiel um weit mehr als um die Frage, wer künftig im Wiesbadener Landtag regiert. Es geht um die mittelfristige Statik der SPD insgesamt. Es geht um die Positionierung eines möglichen Kanzlerkandidaten Steinmeier. Es geht auch um die Autorität von Parteichef Beck, dessen Gegner sich nach einem Kurswechsel in Hessen mit lautem Geheul auf ihn stürzen würden. Wie gesagt: Es müssen ungeheuer starke Kräfte sein, die Andrea Ypsilanti all dies ignorieren lassen. 

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Norbert Robers)

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