Berliner Morgenpost: Das Ende der Hegemonie der Berliner SPD
Archivmeldung vom 10.12.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür die Berliner SPD wird es ernst. Erstmals seit Jahren sind die Sozialdemokraten im Berlin-Trend der Morgenpost nicht mehr die Nummer eins in der Wählergunst. Was bei früheren Urnengängen wie der Europawahl oder der Bundestagswahl noch auf äußere Einflüsse geschoben werden konnte, schlägt nun auch auf die Landespolitik durch: Die CDU überholt Klaus Wowereits SPD, Grüne und Linke sitzen ihr im Nacken.
Das letzte Mal war die Union vorn, als Rot-Rot 2004/2005 in seiner ersten Legislaturperiode mit einem harten Sparkurs viele Bürger verschreckte. Eine solche Erklärung für den Abschwung der SPD gibt es 2009 nicht. Natürlich ist eine Meinungsumfrage eine Momentaufnahme. Aber seit der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus im Sommer 2006, als die SPD mit 30,8 Prozent einlief und sich Wowereit seinen Regierungspartner unter Grünen oder Linken frei erwählen konnte, weist die Tendenz der Berliner SPD nur in eine Richtung: Nach unten. Mit 23 Prozent ist die Dauer-Regierungspartei inzwischen so schlecht wie in den Endzeiten der großen Koalition der 90er-Jahre. Die CDU hat sich stabilisiert, erreicht mit 25 Prozent wieder so etwas wie halbwegs akzeptable Werte. Offenbar registrieren die Bürger, dass in der Partei Ruhe herrscht und auch die eine oder andere Sachaussage nach draußen dringt. Aber während die CDU ihr Tal der Tränen seit dem Bankenskandal und dem Verlust der Regierungsmacht 2001 durchschritten hat, droht der SPD nun ein ähnlich dorniger Weg - wenn die Genossen nicht Wege finden, den Trend umzudrehen. Gefordert ist dabei vor allem der Regierende Bürgermeister. Wowereit sollte sich nicht darauf verlassen, dass er seine rot-rote Regierung nach 2011 einfach durch machtwillige Grüne erweitert. Sollte die SPD 2011 nicht vorne liegen, dürfte es schwierig sein, weiter zu regieren. Jedoch gibt es wenige Hinweise darauf, dass die SPD und auch Wowereit den Ernst ihrer Lage erkannt haben. Projekte oder inhaltliche Schwerpunkte, die vor allem die Wähler der ebenfalls links verorteten Linkspartei oder der Grünen wieder zurückholen, sind nicht in Sicht. Und der Ruf mangelnder Ernsthaftigkeit und wurstigen Desinteresses gegenüber anderen Gruppen und auch gegenüber Mahnern in den eigenen Reihen ist schwierig zu korrigieren. Fatal für Berlins SPD ist, dass ihr die Strukturen und Kultur fehlen, um künftig strategisch und taktisch besser zu werden. Die Partei hat keine Mitte, kein Gremium, und sei es ein informelles, wo wirklich über Politik diskutiert wird. Es hakt bei der Umsetzung von sichtbaren politischen Projekten, sei es nun den Ausbau Berlins zur Klima-Hauptstadt oder die Senkung der Schulschwänzerquote. Stattdessen streiten wieder die Flügel, wie sie es auch taten, bevor der Wechsel zur Linken/PDS und der der CDU zugeschobene Banken- und Parteispendenskandal eine bald zehnjährige politische Hegemonie in der Hauptstadt einbrachte. Diese Phase ist jetzt vorbei.
Quelle: Berliner Morgenpost