Mittelbayerische Zeitung: zu Flughafen München
Archivmeldung vom 09.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gab einmal eine Zeit in Deutschland, da gingen hunderttausende auf die Straße, um gegen eine Startbahn zu protestieren. Sie bauten Hüttendörfer, besetzten eine Autobahn, organisierten Sonntagsmärsche und hielten die Bewegung fast über zwei Jahrzehnte am Leben. Erst als auf einer Demonstration am 2. November 1987, drei Jahre nach Inbetriebnahme der Startbahn, zwei Polizisten erschossen wurden, fand der Protest ein jähes Ende.
In München ist es nach dem positiven Bescheid der oberbayerischen Regierung zum Bau der dritten Start- und Landebahn erstaunlich ruhig. Sicher, es waren andere Umstände damals, der Bau der Startbahn West in Frankfurt fiel in die Zeit der Ölkrise, des erwachenden Umweltbewusstseins und des Erstarkens der Grünen Bewegung. Die drohende Abholzung von 129 Hektar gesunden Waldes war damals ein Alarmsignal, das die Leute unabhängig von der persönlichen Betroffenheit durch Lärm oder Abgase auf die Straße trieb. Aber war nicht in den vergangen Monaten immer wieder vom Wiedererstarken der deutschen Protestkultur die Rede? Unter Verweis auf den Widerstand gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21, aber auch auf die Zehntausende Menschen, die auch in München gegen die Nutzung der Atomkraft auf die Straße gingen? Zur Demonstration gegen den Flughafenausbau vor der CSU-Zentrale kamen nach der Entscheidung gerade einmal ein paar hundert Menschen. Fast scheint es, als sei die emotionale Betroffenheit der Hauptstädter zu gering - liegt doch der Flughafen, anders als der Stuttgarter Bahnhof, weit vor den Toren der Stadt. Und mal ehrlich: Wer fliegt denn nicht gerne in den Urlaub, wer freut sich nicht, wenn für den dringenden Geschäftstermin in Brüssel gleich sechs Direktverbindungen am Tag zur Auswahl stehen? Dass ein paar Vögel vertrieben werden und dass ein paar Menschen umziehen müssen, ist das nicht einfach der Preis, den der Fortschritt eben kostet? Doch ganz so unabwendbar notwendig, die wie die Flughafengesellschaft FMG es darstellt, ist der Ausbau vielleicht nicht. In Zeiten von steigenden Öl- und Rohstoffpreisen, von wachsendem Klimabewusstsein und von immer stärkerer medialer Vernetzung, die viele Fernreisen unnötig macht, davon auszugehen, dass das Passagieraufkommen auch in Zukunft stetig wachsen wird, ist sehr optimistisch. Der Ausbau ist nicht alternativlos. Aber die FMG erhofft sich Wachstum und Profit, auch die bayerische Wirtschaft rechnet mit positiven Effekten durch die bessere Anbindung an die internationalen Märkte, mit einer Stärkung des Standortes Bayern. Viel wird nun davon abhängen, wie die Flughafengesellschaft in den kommenden Monaten agiert. Ob ein Kompromiss denkbar ist in einer Situation, in der die eine Seite Geld verdienen, die andere sich aber ihre Heimat bewahren will. Denn auch die Anliegen und Argumente der Anwohner und der Ausbaugegner sind berechtigt, schließlich geht es hier um gewachsene, intakte Dorfgemeinden, um Vogelschutzgebiete und Naturlandschaften. Sollte es den Gegnern gelingen, den Protest in die Hauptstadt zu tragen, ist es durchaus denkbar, dass das Projekt trotz des positiven Planfeststellungsbescheides doch noch scheitert. 51 Prozent der FMG gehören dem Freistaat, 26 Prozent der Bundesrepublik und 21 Prozent der Stadt München. Die Entscheidung, ob und wann gebaut wird, ist also letztendlich eine politische. Die großen Parteien aber sind bei der Ausbaufrage zerrissen: Die SPD hat sich auf der Münchner Delegiertenversammlung für die dritte Startbahn ausgesprochen, auf Landesebene dagegen, CSU-Ministerpräsident Seehofer hat sich deutlich auf der Seite der Befürworter positioniert, an der Basis und vor allem in den CSU-Verbänden der betroffenen Landkreise aber rumort es gewaltig. Angesichts der bevorstehenden Landtags- und Kommunalwahlen 2013/2014 wird man sehr genau darauf achten, wie sich die öffentliche Meinung zum Großprojekt Flughafenausbau entwickelt.
Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)