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WAZ: Winterspiele in Vancouver beendet - Olympische Illusionen

Archivmeldung vom 01.03.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es hat in den vergangenen zwei Wochen von Vancouver Momente gegeben, in denen die Illusion lebte. Die Illusion, man sei bei den Olympischen Winterspielen in einer besseren Welt gelandet, in der Frieden und Fairness herrschen. Im nächsten Augenblick taten sich Abgründe auf, und es wurde deutlich, dass der Sport Teil der realen Welt ist und damit nicht besser oder schlechter als der Rest von ihr.

Zum Beispiel beim Skandal um die Bob- und Rodelbahn. Eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, die durch den Unfall des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili zur Todesbahn wurde. Konsequenzen gab es keine. Oder zum Beispiel beim Sportbetrug Nummer eins: dem Doping. Täglich verkündete das Internationale Olympische Komitee, dass es in Vancouver keine positive Kontrolle gegeben habe. Wer naiv ist, glaubt: Das Kontrollsystem funktioniert. Doch der Leistungssport streift seine Sünden genauso wenig ab wie ein Leopard seine Flecken. Die Betrüger mit ihren Tricks sind den Fahndern nur weit voraus. Zu- dem fahndet der Sport nicht mit der letzten Konsequenz. Überführte Betrüger würden Olympia das Image vermiesen, und ein zerkratztes Image ist ein schlechtes Verkaufsargument.

In der Welt des Kommerzes hat sich Olympia aber längst zu einer gigantischen Verkaufsmaschine entwickelt. Fernsehgelder, Top-Sponsoren, rund um die Winterspiele geht es nicht mehr um Millionen, sondern um Milliarden. Um diesen Kreislauf in Gang halten zu können, wird es nie mehr Winterspiele in kleinen Städten geben können. Die Zeiten von 1994, als das norwegische Lillehammer die Spiele umarmte und Olympia die Umarmung wegen der Kompaktheit der Spiele erwidern konnte, sind vorbei. Nur Großstädte mit Ski-Regionen im Umland können die olympische Infrastruktur noch bewältigen. In der Bewerbung von München für 2018 ist es nicht anders, als es bis gestern in Vancouver war: Für den Zuschauer der Fernsehspiele spielt die Entfernung der Wettkampfstätten keine Rolle. Selbst Rodeln in Österreich und Eisschnelllauf in New York wären am Bildschirm kein Problem. Für den Zuschauer vor Ort ist das anders. Es bremst die Begeisterung, vier Stunden bis zur Skipiste in die Rocky Mountains zu fahren.

Die Spiele in Vancouver waren daher nicht die besten Spiele aller Zeiten, sie liegen bei der Bewertung im Mittelfeld. Fest steht aber, dass nur Olympia das Potenzial hat, die ganze Welt wenigstens für zwei Wochen unter den Idealen des Sports zu vereinen. Diese Ideale werden nicht immer mit Inhalt gefüllt, manchmal werden sie sogar missbraucht. Dennoch ist die Olympische Idee eine der besten, die es gibt.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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