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Lausitzer Rundschau zum prognostizierten "Merkel-Aufschwung": Vorsicht ist geboten

Archivmeldung vom 10.12.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.12.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es ist ein beliebtes Politiker-Spielchen. Als das Konjunkturbarometer kurz vor der Bundestagwahl 1998 nach oben schnellte, tönte der damalige Kanzlerkandidat Gerhard Schröder: Der Aufschwung, den wir jetzt haben, ist mein Aufschwung! Als Angela Merkel in diesem Jahr die Kandidatenrolle übernahm, wurde sie ebenfalls gleich zur Mutter der Konjunkturbelebung ausgerufen. Die Wahrheit ist:

Für den Aufschwung gibt es viele Ursachen – und die meisten davon heißen weder Schröder noch Merkel. Die Politik kann nur gute Rahmenbedingungen setzen. Was freilich nicht unterschätzt werden darf. Die ersten Experten gehen also davon aus, dass die Wirtschaft 2006 stärker wachsen wird als bisher prognostiziert. Höchste Vorsicht ist geboten: Die Halbwertzeiten solcher Botschaften ähneln Fußball- Tipps – dank der Prognose-Schludrigkeit der Institute und der wachsenden Unberechenbarkeit der Entwicklung durch die Globalisierung. Diejenigen Gelehrten, die sich nun mit dem Merkel- Aufschwung verbal aus dem Fenster lehnen, ruderten unlängst noch mit im rot-grünen Boot. 2006 wird ein wirtschaftlich besseres Jahr. Ohne Zweifel. Das wäre es aber auch geworden, wenn der Kanzler noch Schröder hieße. Der Aufschwung – wenn man ihn überhaupt bei einer Wachstumsspanne von 1,1 bis 1,6 Prozent so nennen darf – kommt. Das weiß man schon seit Monaten angesichts zyklischer Bewegungen im Euro-Raum. Die Weltwirtschaft wächst, der positive Export-Trend setzt sich fort, die Gewinnentwicklung bei den Unternehmen ist gut und der Ölpreis sinkt wieder. Auch die Binnenkonjunktur wird in Fahrt geraten, weil den Deutschen 2007 eine höhere Steuerlast aufgebrummt werden soll. Das sind harte, positive, ökonomische Fakten – und weil Wirtschaft viel Psychologie ist, darf die Bedeutung der Fußball-WM nicht unterschätzt werden. Die andere Seite der Medaille ist aber die: Die Belebung am Arbeitsmarkt wird spürbar, aber nicht überwältigend sein. Denn der Trend zur Unternehmensverlagerung ins Ausland ist ebenso ungebrochen wie der massenhafte Jobabbau aus Renditegründen. Mit diesem Aufschwung kann die große Koalition also nur bedingt leben. Zumal er deutlich kräftiger ausfallen müsste, als einige Institute jetzt jubelnd feststellen. Schwarz-Rot mutet schließlich 2007 den Bundesbürgern eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung zu, höhere Rentenbeiträge und weitere Ausgabenkürzungen kommen hinzu. Dem Koalitionsvertrag liegt deshalb zu Grunde, dass der Aufschwung bis Ende 2006 so robust sein wird, dass sich all die ökonomisch und finanzpolitisch folgenreichen Maßnahmen kompensieren lassen. Das ist ein gewagtes Spiel: Geht die Rechnung nicht auf, droht der Rückfall in die Depression – und dann ist es mit Sicherheit Merkels Abschwung.

Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau

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