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Westdeutsche Zeitung: Unter dem Galgen von Bagdad

Archivmeldung vom 06.11.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

60 Jahre nach Nürnberg wird mit dem furchtbaren Diktator Saddam Hussein wieder einmal ein Staats-Wüterich "wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zum Tod durch den Strang verurteilt. Das Tribunal von Bagdad beruft sich dabei auf den Nürnberger Grundsatz, "Frieden durch Recht" zu schaffen.

Als hätte die zivilisierte Welt in den vergangenen sechs Jahrzehnten nichts dazu gelernt, lobpreist das Weiße Haus das Todesurteil als Beweis für die Lebensfähigkeit der amtierenden irakischen Regierung. Ein Leben, das unter dem Galgen beginnt?

Das Gericht in Bagdad ist, anders als es das Nürnberger Gericht war, kein Tribunal der Sieger. Allerdings hat die Besatzungsmacht USA das Gericht noch einberufen, als sie das besiegte Land verwaltete. Da fragt man sich, warum das irakische Todesurteil auf den Punkt zwei Tage vor der Kongresswahl verkündet wird, bei der US-Präsident Bush den Amerikanern seine Politik zur Abstimmung stellt. Schon einmal waren Bushs Umfragewerte aus dem Keller emporgeschnellt - 2003, als Saddam ergriffen wurde.

Die US-Gesellschaft lebt mit dem Henker - zumindest im Süden. In Europa ist die Todesstrafe abgeschafft. Um so unverständlicher, dass Londons Außenministerin Beckett das Urteil gegen Saddam ausdrücklich begrüßt. Applaus für die Hinrichtung im Nahen Osten, Ächtung der Todesstrafe in Europa - wie geht das zusammen? Noch krauser ist die Argumentation des irakischen Staatspräsidenten Talabani. Der will seinen Stellvertreter unterschreiben lassen, wenn es denn bei dem Urteil bleibt - weil er selbst ein Papier zum internationalen Bann der Todesstrafe unterzeichnet hat. Wie gesagt - wenn... Selbst die Sieger in Nürnberg haben in etlichen Fällen Gnade vor Recht ergehen lassen und Todes- in Haftstrafen ungewandelt - schon vor 60 Jahren.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung

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