WAZ: Die USA und der Hurrikan
Archivmeldung vom 02.09.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHurrikan "Katrina" ist nicht nur als verheerender Sturm mit 1832 Todesopfern und über 80 Milliarden Dollar Schaden in die Geschichte eingegangen, sondern auch als desolates Beispiel staatlichen Versagens.
Als 2005 New Orleans im Wasser versank, war das Krisenmanagement eine Katastrophe für sich. Dass George W. Bush dabei bis heute der größte Teil des Versagens angelastet wird, erklärt sich in erster Linie aus der Anti-Bush-Stimmung, die damals, zwei Jahre nach Beginn des Irak-Krieges in- und außerhalb der USA ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Richtig ist, dass damals auf allen staatlichen Ebenen - vom Präsidenten über die Gouverneurin bis zum Bürgermeister von New Orleans - unglaubliche Fehler gemacht wurden. Untersuchungen haben gezeigt, dass mit teils ganz simplen Maßnahmen (ein Bus-Kontingent für die Evakuierung zum Beispiel oder Krankenwagen für die Räumung der Krankenhäuser) viele Menschen hätten gerettet werden können.
Ob "Gustav" beweist, was seit "Katrina" gelernt worden ist, steht noch nicht fest. Wie schlimm die Lage überhaupt ist, wird sich erst innerhalb der nächsten 24 Stunden zeigen. Schon bei "Katrina" kam New Orleans im Sturm relativ glimpflich davon. Erst als die Dämme brachen, versank die Stadt. Dennoch, schon jetzt kann man sagen, dass in den letzten Tagen der Umgang mit der Gefahr, mit den Informationen, mit der Evakuierung - ja mit allem - ungleich professioneller und durchdachter war als alles, was 2005 an der amerikanischen Golfküste passiert ist.
Gerade die Zusammenarbeit verschiedener Behörden und die komplizierte Logistik millionenfacher Evakuierungen haben in den letzten Tagen überzeugend gezeigt, was seit "Katrina" passiert ist. Anders als damals gibt es heute Notfallpläne für viele unterschiedliche Szenarien.
Diese Pläne müssen sich zwar in der Praxis bewähren und werden sicher manche Schwäche offenbaren; aber als "Katrina" die Golfküste verwüstete und in New Orleans die Dämme brachen, gab es nicht einmal Pläne für einen solchen Notfall. Es gab nichts als die naive Hoffnung, dass so etwas nie passieren würde. Diesmal scheint sich das neue Krisenmanagement zu bewähren.
Allerdings haben auch diesmal wieder viele Menschen die Evakuierung verweigert - aus Angst vor Plünderungen, aus Leichtsinn, Abenteuerlust und Dummheit. Dagegen ist auch das beste Krisenmanagement machtlos.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Markus Günther)