Westdeutsche Zeitung: Eine Wahl nach Geschlecht und Hautfarbe
Archivmeldung vom 07.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach dem "Super-Dienstag", so hatte es noch vor einem Monat geheißen, würden die Demokraten bereits wissen, wer sie bei der Wahl am vierten November vertritt. Hillary Clinton galt vor der Auftaktveranstaltung in Iowa noch als überragende Favoritin.
Völlig unklar würde hingegen sein, wer bei den Republikanern die Nase vorn hat, zumal keiner der attraktiveren Kandidaten wohl bereit sein würde, die undankbare Aufgabe eines prädestinierten Verlierers zu übernehmen. Nun ist alles auf den Kopf gestellt: Ausgerechnet die republikanische Partei hat schon ihren Mann, nämlich John McCain, der vor einem halben Jahr beinahe das Handtuch geworfen hätte. Bei den Demokraten hingegen bleibt das Rennen zwischen der nüchternen Hillary als Garant für Kompetenz und dem charismatischen Obama als Symbol des Wandels völlig offen. Geradezu sensationell ist die Tatsache, dass in einem Jahr, in dem der amtierende US-Präsident von einer Mehrheit seiner Landsleute als Versager angesehen wird, der Kandidat seiner Partei ernstzunehmende Siegeschancen hat. Die Annahme, dass jeder republikanische Anwärter auf den Chefsessel im Weißen Haus für den demokratischen Kandidaten kaum mehr als ein Prügelknabe sein würde, hat an Gültigkeit verloren. John McCain verfügt jetzt sogar über einen strategischen Vorteil: Während sich Clinton und Obama auch in den kommenden Wochen ein aufreibendes Duell liefern werden, kann sich der Senator aus Arizona ganz gelassen auf die eigene Kampagne konzentrieren. Sicher ist, dass die Demokraten Geschichte schreiben werden, da erstmals entweder eine Frau oder ein Afro-Amerikaner als Spitzenkandidat antreten wird. Gleichwohl stimmt das parteiinterne Duell nachdenklich. Denn politische Inhalte scheinen kaum den Ausschlag zu geben. So hat Hillary Clinton weiße Frauen sowie hispanische Wähler und Asiaten hinter sich. Schwarze hingegen stehen ebenso wie Jugendliche geschlossen hinter Barack Obama, der auch bei weißen Männern zunehmend punktet. Es wäre schade, wenn die Präsidentschaft weniger von Inhalten wie der Haltung zum Irakkrieg, der Gesundheitsreform und Plänen zur Konjunkturbelebung, als von Geschlecht und Hautfarbe entschieden werden sollte.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Peter De Thier)