Neues Deutschland: Billig-Pflege
Archivmeldung vom 18.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVergesslichkeit ist nicht immer Gnade, wie eine zunehmende Zahl von Zeitgenossen nur zu gut weiß. Aber die Urheber der Idee, Langzeitarbeitslose als Pflegekräfte bei Demenzkranken einzusetzen, sollten darauf hoffen, dass diese schnell eine Beute gesellschaftlichen Vergessens wird.
Die Bundes-agentur für Arbeit ist ihrem Ruf als Seelsorgerin - der Wirtschaft, nicht ihrer Schutzbefohlenen - damit erneut gerecht geworden. Service-Anstalt zu sein, um diesen Ruf bemüht sich die Hauptverwaltung deutscher Arbeitslosigkeit seit Umbenennung in eine Agentur - vergeblich, das Bild einer Zwangsanstalt wird sie nicht los. Erwerbslose als letztes Aufgebot, als Schar von Unmündigen, die nach Gutdünken auf die Probleme der Gesellschaft verteilt werden kann. Und nicht zuletzt: auf die Taschen der Pflegeversicherung.
Schon mal was von Demenz gehört? - möchte man alle Urheber der Schnapsidee fragen. Ja? Aber wohl gleich wieder vergessen.  Die Pflege von Menschen ist nur gut ausgebildeten und zudem besonders belastbaren Menschen zumutbar. Und nur solche den Demenzkranken. Mit der seuchenhaften Ein-Euro-Logik sind die Probleme unserer alternden Gesellschaft nicht zu lösen. Langzeitarbeitslose, die praktisch jede Hoffnung auf Selbstverwirklichung fahren lassen mussten, die vielleicht auch nicht stark genug waren, der Falle Erwerbslosigkeit zu entfliehen, sind denkbar ungeeignet für einen solchen Job. Sie brauchen selbst Hilfe.
Quelle: Neues Deutschland