Leipziger Volkszeitung zum BND-Untersuchungsausschuss
Archivmeldung vom 24.02.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittErst standhaft an vorderster Front und jetzt doch nur Wackelkandidat im hinteren Schützengraben. Die FDP ist mit ihrem Zaudern und Zögern bei der Einsetzung eines Untersuchungausschusses zur BND-Affäre drauf und dran, ein klassisches Eigentor zu fabrizieren.
Wie macht man sich am besten unglaubwürdig? Indem zunächst die
politische Konkurrenz - die Grünen - als Umfaller öffentlich verbal
verprügelt wird. Einige Wochen später kippt man dann selbst um und
kassiert die Aussagen von gestern mit einem
"war-ja-nicht-so-ernst-gemeint" lächelnd wieder ein. Auch so lässt
sich Politikverdrossenheit fördern.
Dabei wollte FDP-Chef Westerwelle den Untersuchungsausschuss
eigentlich als ersten gemeinsamen Angriff der Opposition nutzen. Denn
mangels Masse und Klasse sahen sich die kleinen Parteien im Bundestag
nach dem gelungenen Start der großen Koalition schnell an den
politischen Rand gedrückt. Da kam die BND-Affäre genau zur rechten
Zeit.
Die Liberalen mit ihren Erzfeinden, den ungeliebten Grünen und der
noch ungeliebteren Linkspartei, in einem Boot. Der Zweck heiligte da
noch fast alle Mittel. Das Einknicken der Öko-Partei, die ihre
Galionsfigur Joschka Fischer nicht entzaubern wollte, wurde von
Westerwelle als dankbare Steilvorlage genommen, um ordentlich
nachzutreten. War ja auch eine prima Gelegenheit, um die ehemalige
Regierungspartei an den Pranger zu stellen. Da ist es nun besonders
peinlich, wenn man auf die gleiche Argumentationslinie einschwenkt:
Abwiegeln nach dem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums.
So bleibt also die Linkspartei vorerst allein im Boot mit ihrem Ruf
nach einem Untersuchungsausschuss in der BND-Affäre. Ihr Versuch, von
dieser Seite einen Geheimdienst und seine Arbeitsweise nachträglich
zu entlarven, kann nicht verwundern. Die Uneinigkeit der Opposition
führt allerdings dazu, dass die Linkspartei mit ihrem
Aufklärungsbegehren kaum durchkommen wird.
Da ist es fast schon müßig, darüber zu spekulieren, ob ein Telefonat
zwischen Westerwelle und Kanzlerin Merkel die FDP auf die
schwarz-rote Regierungslinie gebracht hat. Oder ob sich die liberale
Grundhaltung, dass Geheimdienste ihre Arbeit um den Preis
internationaler Glaubwürdigkeit niemals komplett öffentlich machen
können, durchgesetzt hat. Am Ende bleibt die drängende Frage, wie
genau deutsche Geheimermittler in den Irak-Krieg involviert waren,
leider unbeantwortet.
Die alte rot-grüne Bundesregierung mit ihrem Doppel Schröder &
Fischer an der Spitze kann somit durchatmen. Ihr offizielles
Heraushalten aus dem Irak-Angriff wird nicht nachträglich durch die
Enthüllung geheimer deutscher Zuarbeiten für den CIA zur Lüge werden.
Das wird auch Kanzlerin Merkel schmecken. Ihr SPD-Außenminister
Steinmeier war als Kanzleramtschef verantwortlich für die
Koordination der Geheimdienste. Ein Untersuchungsausschuss würde auch
ihn ins Visier nehmen - und damit die stabile Statik der großen
Koalition bedrohen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung