Börsen-Zeitung: Blut, Schweiß und Tränen, Kommentar zum Neujahrsbrief des Telekom-Chefs René Obermann von Bernd Freytag
Archivmeldung vom 06.01.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlKosten runter, Service verbessern, wettbewerbsfähiger werden - was sich der neue Telekom-Vorstandschef René Obermann zum Beginn seines ersten vollen Geschäftsjahres vorgenommen hat, könnte auch sein Vorgänger Kai-Uwe Ricke unterschreiben.
Dabei war doch Ricke von Bund und Blackstone nicht
etwa deshalb vom Thron gestoßen worden, weil sich diese Konzepte so
außerordentlich positiv auf den Aktienkurs ausgewirkt hätten. Die
freien Aktionäre dürfen sich zusammen mit dem ungleichen
Großaktionärsduo dennoch Hoffnung auf bessere Zeiten machen. Denn
Obermanns Neujahres-Philippika an die Telekom-Mitarbeiter bedeutet
eines ganz gewiss: den heilsamen Abschied vom Träumen.
Es ist wohl genau dieser neue Realitätssinn, den Rickes Fallensteller wollten, um innerhalb des Konzerns den Druck zu erhöhen - wenn sich das strategische Korsett aus Regulierungsdruck, preisaggressiven Wettbewerbern und zunehmender Sättigung der Märkte schon nicht sprengen lässt.
Während Ricke nur wenige Wochen vor seinem Abgang und in
sträflicher Absenz seiner Kommunikationsarmada öffentlich eingestand,
der Vorstand sei von der Härte des Wettbewerbs überrascht worden,
macht Obermann von Beginn an klar, woher der Wind weht: "Der Markt
akzeptiert unsere hohen Kosten nicht mehr." Und während Ricke die
Telekom bis ins Jahr 2010 als Europas größten Telekomkonzern nach
Umsatz und Ertrag vorzeichnete, heißt es bei Obermann lapidar: "Um
langfristig bestehen zu können, werden wir 2007 in unserem
Unternehmen einiges verändern müssen."
Service kann man nicht verordnen, und es wird schwierig genug, den Vertrieb in den "T-Punkten" mit der Aussicht auf weniger Gehalt zu motivieren. Obermann bringt die notwendige Härte mit, dieses Bild jedenfalls vermittelt seine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rhetorik. Tatsächlich durchforstete er kurz nach seinem Amtsantritt den Vorstand und holte ehemaligen T-Mobile-Getreue in die Führung. Davor schon hatte er den obersten Öffentlichkeitsarbeiter ausgetauscht.
Die Märkte hören die Signale wohl, und Kursgewinne zum
Jahresanfang zeugen von Vorschusslorbeeren für den neuen starken Mann
der Telekom. Die Probleme des Konzerns sind zwar nicht weniger
geworden. Aber der wiedergewonnene Realitätssinn kann helfen, sie
schneller in den Griff zu kriegen.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung