Neues Deutschland: Berlinale
Archivmeldung vom 10.02.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHeute beginnt die Berlinale. Unwichtig angesichts Tunis, Kairo? Dort flimmert's Machthabern vor den Augen; Völkern dämmert's, im falschen Film zu sein, Verhältnisse treten aus ihren angespannten Rollen. Und wir reden, an prononcierter Zeitungsstelle, vom Kino?
Ja, mit aller nur möglichen Überlänge! In Zeiten von Aufständen über Kino zu reden, ist eine Bitte um Vorsicht beim Reden über menschliche Bedürfnisse. Die Welt soll hell sein, aber der Mensch träumt auch gern im Dunkel, bei geöffneten Augen. Licht-Spiel-Theater. Ein Wort wie Tempel oder Rose oder Bier.
Gerechtigkeit zu schaffen, ist überall das Überfällige, am gerechtesten geht es zu, wo das Überflüssige frei atmet: Kunst, das Kinderspiel, das tausend Namen hat. Die Menschheit ist nur dort erwachsen, also vernünftig, wo Menschen ihr erwachsenes Gesicht vergessen dürfen. Überzeugungstäter ins Kino! Dort könnten sie endlich wieder Überraschungsopfer sein. Entspanntheit vorausgesetzt, sonst findet Entspannung nicht statt.
Schönstes Wort der Berlinale: Wettbewerb - so gesagt, dass keiner an Konkurrenz denkt. Zur Ruhe kommen können, denn für uns laufen die Filme. Vergnügung ist der höchste Sinn. Im palästinensischen Jenin wurde ein aus Bombentrümmern erbautes Kino zum Zeichen unbesiegbarer Lust; das schafft ein neues Parteibüro nicht.
Bis hierher, in brodelnder Welt, ein Berlinale-Text, in dem das Wort Politik nicht vorkam. Fehlte es denn?
Quelle: Neues Deutschland