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Lausitzer Rundschau: zu: SPD im Umbruch - große Koalition auf der Kippe

Archivmeldung vom 02.11.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.11.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Begriff von den Berliner Chaostagen erzählt nicht die ganze Wahrheit. Sicher geht es drunter und drüber in der SPD, auch in der Union – kein Wunder nach den Ereignissen der vergangenen Wochen. Doch bei näherer Betrachtung finden derzeit Reinigungsprozesse statt, die zwangsläufig sind. Zuviel ist passiert, zu sehr hat sich die politische Statik verändert, als dass eben mal geräuschlos eine große Koalition gezimmert werden könnte.

Was auf den ersten Blick befremdlich wirkt, hat auch sein Gutes. Vieles spricht dafür, dass die getroffenen Entscheidungen richtig sind – und im Interesse des demokratischen Prinzips. Der SPD- Vorstand musste so votieren, aus Gründen der Selbstachtung. Und der Vorsitzende Franz Müntefering musste daraufhin die Konsequenzen ziehen. Nachdem der Wirbelsturm „Andrea“ über Berlin hinweggefegt ist, herrscht jetzt Katzenjammer. Die SPD ist zerzaust, muss sich neu sortieren. Dennoch hat die Partei auch Grund zum Stolz: Sie hat gezeigt, dass sie sich die jahrelange Bevormundung durch die Parteiführung – beim abrupten Kurswechsel hin zur Agenda 2010, bei der Neuwahl-Entscheidung im Mai, bei der Missachtung der Basis in Sachen Generalsekretär – nicht länger gefallen lassen will. Es war kein linkes Manöver, sonder eher ein gellender Hilfeschrei, der den Vorsitzenden aus dem Amt trieb. Starke Kräfte in der Partei wollten sich wieder als lebendigen Organismus spüren, wieder Politik mitgestalten – und nicht bloß Vorgaben von oben brav abnicken. Es war ein sträflicher Fehler von Müntefering, diesen ihm bestens bekannten Wunsch ignoriert zu haben. Etwas anders gelagert ist die Personalie Stoiber. Der bayerische Zauderkönig hat sich mit seinem schrillen Ritt von München nach Berlin und zurück endgültig entzaubert. Er ist vom edlen Ross zum lahmen Gaul mutiert. Seine pathetischen Worte: „Ich will Deutschland dienen!“ klingen heute wie Hohn. Deshalb muss sich Kanzlerkandidatin Angela Merkel auch nicht grämen. Sie wird es ohne Stoiber einfacher haben als mit einem ewig grantelnden Minister. Die große Frage ist jetzt, wie es weitergeht mit der großen Koalition. Gegenwärtig ist unklar, ob der Kurzschluss in der Schaltzentrale eine Implosion des ganzen Körpers nach sich zieht. Wenn Merkel und die künftige SPD-Führung – der Vorsitz läuft auf Matthias Platzeck hinaus – die Ruhe bewahren, besteht durchaus die Chance, eine tragfähige Regierung zu bilden. Viel Zeit bleibt aber nicht mehr: Die Geduld der Bürger mit den Machtspielchen der Politiker neigt sich dem Ende zu.

Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau

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