LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Uefa
Archivmeldung vom 27.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAufgeregt ruft Fußball-Europa die französische Revolution aus, dabei handelt es sich um einen überfälligen Generationswechsel. Michel Platini, 51, beerbt an der Uefa-Spitze Lennart Johansson, 77. Der alte, kranke Schwede hat den richtigen Zeitpunkt verpasst.
Den zum Aufhören und den, einen Nachfolger zu
lancieren, sonst hieße der Chef wohl längst Franz Beckenbauer. Einer
Kampfabstimmung hätte sich der Kaiser nie gestellt, Johansson verlor
sie jetzt.
In seiner 17-jährigen Amtszeit, die still, seriös und ohne Skandale
verlief, wurde der Goldesel Champions League etabliert, stieg der
Uefa-Umsatz von 15 Millionen auf zwei Milliarden Euro. Die Geldtöpfe
sind prall gefüllt. So prall, dass die kleineren der 52
Mitgliedsverbände stärker partizipieren wollen. Platini nutzte das
bei seiner Wahlkampftour. Der einstige Weltstar gab sich als Visionär
und Reformer, der mit frischen Ideen die erstarrten Verhältnisse zum
Tanzen bringt - weg von der totalen Dominanz des Kommerzes, zurück zu
den Wurzeln. Er will angeblich Mittel umverteilen, den großen
Nationen Champions-League-Plätze streichen, die EM-Endrunde von 16
auf 24 Teams aufstocken. Ein verlockendes Programm für die
Unterprivilegierten, das ihm die Präsidentschaft sicherte.
Platinis Wahl verschiebt das Machtgefüge. Verlierer sind auch die
Deutschen, die hinter Johansson standen, weil er dem DFB half, die WM
2006 zu bekommen. Gegen den Willen von Sepp Blatter, der für
Südafrika votierte. Der Boss des Weltverbandes Fifa ist der
eigentliche Sieger von Düsseldorf. Platini war lange sein Berater,
gilt als sein Statthalter, wird sein Stellvertreter. Mit ihm im
Rücken könnte der Schweizer endlich auch die aufmüpfige Uefa
kontrollieren. Denn Blatters Albtraum muss in Rente. Es war
Johansson, der 1998 gegen ihn kandidierte und vier Jahre später zu
seinem Sturz aufrief, ihm Amtsmissbrauch und Selbstherrlichkeit
vorwarf. In der Nacht vor Blatters Wiederwahl sollen afrikanische
Fifa-Delegierte dicke Geldumschläge unter der Zimmertür gefunden
haben.
Das System Blatter steht für zahlreiche, nie ganz aufgeklärte
Skandale, für zweifelhafte Rechtevergaben und Vermarktungspraktiken,
für rigides Sponsoring, für rücksichtslose Gewinnoptimierung - und
damit im Gegensatz zu vielem, was Platini angekündigt hat. Der
Franzose verdient eine faire Chance. Was ihm als Sozialromantik
ausgelegt wird, darf man auch als Ansatz zur Demokratisierung des
Fußballs sehen. Die Frage ist, wie weit zu gehen er bereit ist, ob er
neue Verbündete gewinnen und eine Spaltung der Uefa verhindern kann.
Voraussetzung wird sein, dass die Geldquellen weiter sprudeln. Daran
wird Platini letztlich gemessen. Gerade von denen, die ihn wegen
seiner Versprechen gewählt haben.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung