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Wiesbadener Kurier: Kommentar zu Israel

Archivmeldung vom 30.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Nachrichten der vergangenen Tage aus dem Nahen Osten machen wenig Mut: Vom Friedensabkommen sei noch keine Zeile geschrieben, beklagen die palästinensischen Unterhändler; im Sicherheitsrat tobt ein Schlagabtausch - der wievielte? - zwischen Israelis und Palästinensern über die Siedlungspolitik.

Ägypten wirft Israel mangelnden Kompromisswillen in den Verhandlungen über die Zukunft der Region vor; das Nahost-Quartett, das seit Jahren Frieden zu stiften versucht zwischen den Streithähnen, mahnt - zum wiederholten Mal - ein Abkommen an; US-Präsident Bush verspricht seinen Einsatz für den Friedensprozess "bis zuletzt". Zum jüdischen Neujahrsfest werden die Palästinensergebiete aus Angst vor Terror abgeriegelt. Business as usual, alles geht seinen üblichen Gang, nur: nichts kommt voran. Ratlosigkeit, Appelle, Mahnungen, Abgrenzung, Streit. Im Nahen Osten nichts Neues. Dann gestern das: Der scheidende israelische Ministerpräsident Olmert wagt das Undenkbare, beschreibt eine Vision: Rückzug aus fast allen - nein, besser noch: allen besetzten Gebieten, Golan-Höhen und - eine Sensation - Ostjerusalem inklusive. Nach überkommener israelischer Denkweise ein Sakrileg. Und doch: Das ist sie, die einzig wahre Lösung, der Einstieg in ein Zwei-Staaten-System. Olmerts Kehrtwende, seine Bereitschaft einzugestehen, dass er jahrzehntelang falsche Ziele verfolgt hat, sind ein Zeichen, das in Israel, bei den Palästinensern, in Syrien und der übrigen arabischen Welt gehört werden sollte - und dennoch alleine schon an Israel zu scheitern droht. Die künftige Ministerpräsidentin Liwni muss sich in ihrer gespaltenen Kadima-Partei erst einmal behaupten, der religiösen Schas-Partei, ihrem möglichen Koalitionspartner, könnte sie vor allem die Preisgabe Ostjerusalems, wohl kaum vermitteln. Wenn die Regierungsbildung scheitert, gibt es eine Neuwahl, bei der die oppositionelle Likud-Partei, Gegner einer Annäherung an die Palästinenser, sich Hoffnungen auf Übernahme der Macht machen kann. Olmert hat sein politisches Vermächtnis hinterlassen. Wie es aussieht, hat es gute Chancen, in der Schublade der Geschichte zu verschwinden.

Quelle: Wiesbadener Kurier

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