Lausitzer Rundschau: Schwarz-roter Gesundheitskompromiss
Archivmeldung vom 06.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gibt bei der Gesundheitsreform zwei Eckpunkte, über die niemand redet, und die doch das ganze Werk prägen. Der erste ist die Unvereinbarkeit der Modelle von SPD und Union, Bürgerversicherung versus Kopfpauschale. So entstand die Idee vom Gesundheitsfonds.
Er
hält die Option offen, dereinst eines der beiden Modelle in
Reinkultur zu realisieren. Er gaukelt vor, etwas werde systematisch
anders, dabei gibt es keine Systemwende, sondern nur eine
Systempause.
Das Problem, wie das Gesundheitssystem bei wachsenden Kosten und
zunehmendem Alter der Versicherten dauerhaft finanziert und wie
zugleich - das war die große Aufgabe - der Faktor Arbeit entlastet
werden kann, ist nicht gelöst. Im Gegenteil, zunächst steigen die
Beiträge. Auch bei der Gerechtigkeit der Gesundheitsfinanzierung in
Deutschland ist man nicht vorangekommen. Der Fonds ist die als Reform
verkaufte und in eine neue Bürokratie gegossene
Entscheidungsunfähigkeit der großen Koalition.
Der zweite heimliche Eckpunkt ist eine aktuelle Umfrage aus Bayern.
Sie besagt, dass die CSU auf 49 Prozent gerutscht ist. Dieser
Eckpunkt bewirkte, dass der Gesundheitsfonds auf 2009 verschoben
wird, denn 2008 sind in Bayern Wahlen. Übrigens, auch noch in Hessen
und Niedersachsen, deren CDU-Ministerpräsidenten ebenfalls kräftig
mitwirkten am Reformwerk. 2008 also passiert den bayerischen
Kassenversicherten gar nichts. Und das, was später durch den
Risikostrukturausgleich an Belastungen auf sie zukommt, wird
abgemildert durch einen Staatszuschuss. Dafür ist Steuergeld da.
Wer sich fragt, warum die große Koalition so lange brauchte, um zu
diesem Ergebnis zu kommen, wird genau hier die Antwort finden: in
Parteipolitik der reinsten Art, am Ende sogar in nackten regionalen
Interessen. Folgerichtig hat Edmund Stoiber sogar noch die letzte
Einigung unter den Vorbehalt gestellt, er müsse erst das
Kleingedruckte sehen, den Gesetzentwurf. Das Großgedruckte ist
dagegen schnell erzählt. Diese Gesundheitsreform ist in einigen
Details besser als ihr Ruf. Etwa, indem sie einen Basistarif der
privaten Versicherungen erzwingt, die integrierte Versorgung von Arzt
und Krankenhäusern stärkt und das Honorarsystem der Ärzte
entbürokratisiert. Aber wirklichen Wettbewerb und Effektivitätsdruck
auf alle Beteiligten des Systems hat man sich nicht getraut.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau