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Börsen-Zeitung: Einstürzende Neubauten

Archivmeldung vom 30.05.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.05.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die "Affäre Telekom" und der Korruptionsskandal bei Siemens haben jenseits aller Unterschiede in der Sache jetzt schon eins gemeinsam: Sie sind beide uferlos. Die Unternehmen stehen im Kampf um ihre Glaubwürdigkeit auf verlorenem Posten, solange tägliche neue Einzelheiten aus einem über Jahre geübten schmutzigen Geschäft an die Öffentlichkeit dringen.

Während jedoch bei Siemens der Skandal selbst zum Auslöser eines Neubeginns bei Führungsspitze und Corporate Governance wurde, wollte die Telekom eigentlich diesen Neubeginn mit der Ära Obermann bereits eingeleitet haben.

Nachdem die Staatsanwaltschaft in der Spitzelaffäre offiziell die Ermittlungen bei der Telekom und deren Mobilfunktochter aufgenommen hat, braucht man allerdings kein Prophet zu sein, um zu ahnen, dass das Fundament, auf dem René Obermann den Umbau der Telekom begonnen hat, nicht das beste war. Nicht umsonst zieht der staatliche Großaktionär mit lautstarken Solidaritätsbekundungen zu Obermann vorsorglich eine Stütze nach der anderen ein.

Die Dynamik der Ereignisse bringt den Konzernchef unter Druck, auch wenn sich die Ermittlungen gegen seinen Vorgänger Kai-Uwe Ricke und ausdrücklich nicht gegen ihn selbst richten. Denn die Telekom hat - ganz wie in alten Zeiten - ihre Position durch eine unglückliche Defensivstrategie in der Kommunikation geschwächt. Sie hat das Heft des Handelns aus der Hand gegeben und bei der Information der Öffentlichkeit anderen den Vortritt gelassen. An Obermann, der in der Ära Ricke immerhin auch bereits im Vorstand war, haftet nun der unschöne Verdacht, versucht zu haben, die Sache unter dem Deckmäntelchen der Verschwiegenheit zu halten.

Der Kollateralschaden, den die Telekom mit der kriminellen Überwachungsaktion angerichtet hat, zeigt sich am Sturm der Entrüstung, der allerorten losbricht. Kunden, Journalisten, Arbeitnehmer und Gewerkschaften sind betroffen. Das Fernmeldegeheimnis ist ebenso berührt wie die Pressefreiheit und die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen. Das Schlimmste bei alldem ist jedoch, dass sich die skandalösen Vorgänge bei der Deutschen Telekom scheinbar nahtlos einfügen in das Bild, das die Korruption bei Siemens oder das Schmierentheater bei VW vermitteln. Das Ansehen der Dax-Liga wird einmal mehr schwer beschädigt.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Heidi Rohde)

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