Boersen-Zeitung: Berechtigte Zweifel
Archivmeldung vom 22.07.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUnternehmen sollten bei der Abspaltung von Tochtergesellschaften via Börsengang gute Ertragszahlen vorweisen - falls nicht, könnte bei Investoren der Verdacht aufkommen, dass sich die Konzerne mit Hilfe eines IPO nur sanieren wollen.
Jedenfalls
sorgen robuste Ergebnisse vor einer IPO-Werbekampagne bei Anlegern
für Vertrauen in eine Firma. Diese Binsenweisheit missachtet aber
Infineon sträflich. Die Quartalszahlen des Halbleiterkonzerns sind
derart schlecht, dass sich an der Börse berechtigte Zweifel an der
Tragfähigkeit des Restrukturierungskonzepts von Vorstandschef
Wolfgang Ziebart einstellen - abzulesen an einem Kurseinbruch von
fast 7%.
Das operative Ergebnis der an die Börse strebenden
Speicherchiptochter Qimonda ist mit einem 30 Mill. Euro schweren
Sonderertrag aus dem IPO der taiwanesischen Beteiligung Inotera
aufgepäppelt worden - das ist verständlich, schließlich erhöhen sich
dadurch für einen IPO-Kandidaten bei der Bilanzanalyse die Chancen,
bei Investoren nicht gleich durchzufallen.
Ziebart verspielt aber das
Vertrauen der Anleger, wenn die verbleibenden Logikchip-Segmente
Automobil- und Industrieelektronik sowie Telekommunikation zusammen
einen operativen Verlust von 4 Mill. Euro aufweisen. Die künftige
Ausrichtung von Infineon basiert schließlich auf beiden Bereichen,
die eigentlich lukrativer sind als das schwankungsanfällige
Speicherchipgeschäft. Jedoch ist Infineon sehr abhängig von seinem
Großkunden BenQ, der für rund ein Drittel der Umsätze in der
Telekomsparte steht. Zuletzt verzeichnete der asiatische
Technologiekonzern Umsatzeinbrüche im Mobilfunkgeschäft. Für Infineon
sind die Folgen verheerend. Wieder einmal hat es der Konzern nicht
geschafft, seine Kapitalkosten zu verdienen.
Ziebart muss also für die Zukunft die Kundenbasis verbreitern, um
zu vermeiden, dass Infineon nicht länger dem volatilen
Mobilfunkgeschäft ausgeliefert ist. Künftige Erlöse aus
Qimonda-Anteilsverkäufen - vorausgesetzt der Börsengang an der New
York Stock Exchange gelingt - können finanzielle Löcher an anderer
Stelle nur für begrenzte Zeit stopfen. Ein überzeugendes Konzept,
Infineon aus ihrer Ertragkrise zu führen, ist dies jedoch nicht.
Schafft Ziebart aber keine Wende zum Besseren, steht es um die
Chancen von Infineon schlecht, sich im wettbewerbsintensiven Markt zu
behaupten.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung