Westdeutsche Zeitung: Die FDP muss ihren Standort neu bestimmt
Archivmeldung vom 02.04.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.04.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDarf er bleiben oder muss er gehen? Die einen in der FDP wollen Guido Westerwelle lieber heute als morgen von der Parteispitze entfernen. Die anderen haben nicht vergessen, dass eben jener Westerwelle die Liberalen aus der Talsohle geführt hat, als es schon einmal danach aussah, als sollte die Fünf-Prozent-Hürde für die FDP dauerhaft und überall unüberwindbar werden.
Die Diskussion um das Personal ist einerseits angezeigt und überfällig. Andererseits lenkt sie vom Grundproblem der FDP ab. Die Frage ist nicht in erster Linie, wer an der Spitze dieser Partei steht. Die Frage ist, was für eine Partei die FDP in Zukunft sein will. Wofür will sie stehen? Was soll sie von Union, SPD und Grünen unterscheiden?
Wie verunsichert die Funktionsträger derzeit sind, zeigte die überhastete Botschaft, die derzeit abgeschalteten Altreaktoren sollten für immer vom Netz bleiben. Das war erstens das genaue Gegenteil von dem, was die Liberalen in der Koalition mit der Union beschlossen hatten. Und zweitens ist es eine Position der Grünen, die den Gelben wirklich niemand abgenommen hat. Im Öko-Teich beißt kein noch so kleiner Fisch bei der FDP an.
Überhaupt ist das Bild der Partei, die eins von Persönlichkeiten wie Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Burkhard Hirsch geprägt wurde, in den vergangenen Jahren immer diffuser geworden. Aus "sozialliberal" ist "Privat vor Staat" geworden. Das war auch nachvollziehbar und bildete Profil.
Doch mit dem äußerst guten Bundestags-Wahlergebnis von 2009 scheint der FDP der ungetrübte Blick für ihre ureigene Realität abhandengekommen zu sein. Dafür ist die unsensible Steuerentlastung von Hoteliers ein beredtes Beispiel.
Und heute, kaum anderthalb Jahre später, dürfen Spötter "FDP" fast ohne Übertreibung mit "Fast Drei Prozent" übersetzen. Das mag die Gegner der Liberalen belustigen. Aber möglicherweise vergessen sie dabei, dass die FDP in der Bundesrepublik etwa als Wahrer von Bürgerrechten und als Korrektiv für die beiden Volksparteien eine bedeutende Rolle gespielt hat.
Wenn sie das in Zukunft auch noch tun will, braucht sie bald eine Programmdebatte mit bemerkenswerten Ergebnissen. Dafür muss sie ihre Personaldiskussionen schnell beenden.
Quelle: Westdeutsche Zeitung