WAZ: Petraeus legt Irak-Bericht vor: General Vorwärts
Archivmeldung vom 12.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas genau hat General Petraeus gesagt? Mal heißt es, auch er habe den schrittweisen Rückzug aus dem Irak gefordert. Andere haben das Gegenteil gehört: Petraeus habe so etwas wie "Weiter so!" gesagt. Was Petraeus, im Zusammenhang betrachtet, tatsächlich gemeint hat, geht in manchem Kommentar unter.
Es lässt sich am ehesten so
zusammenfassen: Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die
US-Strategie wirkt, und es gibt zu dieser Strategie keine
Alternative. Das kann man für völlig falsch halten, für naiv und
verlogen - und US-Oppositionspolitiker haben ja schon in diesem Sinne
reagiert -, aber es hat keinen Sinn, Petraeus das Wort im Mund
umzudrehen.
Überraschend dabei war nicht, dass Petraeus mehr Licht als
Schatten im Irak sieht. Überraschend war vielmehr, wie kraftvoll
Petraeus in das politische Vakuum der amerikanischen Politik
vorstieß. Zwischen einer abgewirtschafteten Regierung und einer
konfusen Opposition in Washington trat Petraeus wenn nicht als
Retter, dann als Richtungsweiser der Nation auf. Nur 18 Prozent
halten die Demokraten in Sachen Irak für kompetent, nur fünf Prozent
trauen Bush eine Lösung zu. 68 Prozent wollen sich dem General
anvertrauen.
Wenn Petraeus also den General Vorwärts spielt, Geduld und
Standfestigkeit einfordert, vor den schaurigen Konsequenzen eines
übereilten Abzugs warnt und Hoffnung auf einen wenn nicht baldigen,
aber mittelfristig erreichbaren Erfolg im Irak macht, ist das von
großer Bedeutung. Und indem er einen ersten Teilabzug in Aussicht
stellt (tatsächlich wäre es nur die Rückführung auf das Truppenniveau
von vor sechs Monaten), versucht er einen neuen nationalen Konsens
herzustellen, der auch die kriegsmüden Skeptiker noch einmal ins Boot
holt.
Das alles heißt nicht, dass Petraeus eine neue Kriegsbegeisterung in den USA hergestellt hätte. Aber wahrscheinlich hat er Zeit gewonnen. Und wenn er beim nächsten Mal weitere Fortschritte vorweisen kann, dürfte die Forderung nach einem Abbruch der Mission beendet sein. Dem sehr leidenschaftlichen Appell des prominentesten Generals können auch die - ohnehin zerstrittenen - Demokraten wenig entgegensetzen, zumal sie ihn selbst ins Amt gewählt haben. Bush wird am Donnerstag mit einer neuen Blut-, Schweiß- und Tränenrede versuchen, die Stimmung des Augenblicks zu nutzen. Das wird voraussichtlich wenig zur Sache tun. Das Wort des Präsidenten hat nur noch wenig Gewicht. Doch das Wort des Generals wiegt schwer.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung