WAZ: Stoiber demontiert sich höchstpersönlich: Einmal konsequent sein und zurücktreten
Archivmeldung vom 04.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWahrscheinlich hat die Republik Edmund Stoiber jahrelang überschätzt. Dank seiner knappen Niederlage gegen Gerhard Schröder 2002 und rot-grünen Unvermögens schlüpfte der Bayer in die selbstgefällige Rolle des kompetenten Managers, der Deutschland viel erspart hätte, wäre er gewählt worden.
Das dem nicht so ist, belegte in den vergangenen Monaten das
Handeln oder besser Zaudern des bayerischen Ministerpräsidenten. Das
Vorgehen Stoibers ist von Eitelkeit und politischer Ahnungslosigkeit
gekennzeichnet und hat – die These sei gestattet – der Union den
Wahlsieg gekostet.
Die plumpe Schelte an den Ostdeutschen hat vielleicht in
niederbayerischen Bierzelten gezogen, die Unionswähler wurden damit
nicht mobilisiert. Das Hin und Her vor der Bundestagswahl – geht er
nach Berlin, oder bleibt er in München? – nötigte dann Angela Merkel,
Paul Kirchhof als Steuerexperten aus dem Hut zu zaubern. Die
katastrophale Kommunikation rund um das Kirchhofsche Steuermodell war
letztendlich die perfekte Möglichkeit für die Sozialdemokraten, ihren
Wahlkampf zu intensivieren. Es war ein Elfmeter, den Schröder gekonnt
verwandelte.
Von diesem Fiasko hat Stoiber nichts gelernt. Nach der Wahl
zimmerte sich der Bayer auf Kosten vermeintlich zukünftiger Kollegen
ein Wirtschaftsministerium zusammen, das Aufbruch und Zukunft
symbolisieren sollte. Den Rücktritt von Franz Müntefering nutzte dann
Stoiber, um sich in die Büsche zu schlagen. Dass ein CSU-Chef sein
politisches Schicksal mit dem des SPD-Vorsitzenden verband, löste
Heiterkeit bei den politischen Gegnern und Wut bei den Parteifreunden
aus.
Stoiber ist endgültig zu einer Belastung geworden, der Rücktritt
vom Amt des bayerischen Ministerpräsidenten ist überfällig. Denn
letztendlich hat er in seinem Freistaat überzogen. Er ließ zwei
Konkurrenten um seine Nachfolge warmlaufen, um sie dann mit seiner
Flucht aus Berlin zu verprellen. Was hat dieser Ministerpräsident
Rot-Grün ob eines Zickzack-Kurses verbal verprügelt. Bei dem von ihm
persönlich angerichteten Scherbenhaufen kommt einem sein Gestammel
von 2002 bei Sabine Christiansen in den Sinn. Für Kabarettisten war
dieser Auftritt ein wunderbarer Fundus. Dass Stoiber damals nicht an
einer schlechten Tagesform litt, zeigt sich spätestens jetzt.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung