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Rheinische Post: Behördenversagen mit tödlichen Folgen

Archivmeldung vom 06.01.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.01.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

In einer Demokratie ist die Regierung zur Rechenschaft gegenüber ihren Bürgern verpflichtet. So hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu erfahren, wer in einer Gefährdungslage seinen Aufgaben nachgekommen ist und wer nicht und deshalb mit Konsequenzen zu rechnen hat. Der richtige Ort, Rechenschaft abzulegen, ist das Parlament in öffentlicher Sitzung. Das ist in NRW geschehen. Gestern legten die Sicherheitsbehörden vor dem Innenausschuss des Landtags Rechenschaft über ihre Erkenntnisse zum mutmaßlichen Massenmörder Anis Amri ab.

Leider ist auch nach dem Bericht und der anschließenden Debatte nicht hinreichend klar, wer in diesem Fall richtig gehandelt hat und wer seine Aufgaben nicht erfüllte. Und das, obwohl eine Fülle detaillierter Erkenntnisse zusammengetragen wurde, die die Öffentlichkeit in Erstaunen versetzt - und sie fassungslos macht, dass daraus keine personellen Konsequenzen gezogen werden.

Deutlich geworden ist nur eins: Die Behörden haben zu wenig getan, um den Anschlag zu verhindern. Obwohl Amri siebenmal Gegenstand der Gespräche beim Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) war, obwohl bekannt war, dass er mehrere Identitäten hatte und sich offenbar Sozialleistungen erschlichen hatte, obwohl er nach Zeugenaussagen Anschläge mit Hilfe von Kriegswaffen begehen wollte und im Internet nach Sprengstoffen recherchierte, obwohl er "im Auftrag von Allah töten" und sich mit Mitgliedern des Islamischen Staats treffen wollte, hat ihn die deutsche Justiz aus den Augen verloren.

Das nennt man Behördenversagen, für das die Landeskriminalämter von NRW und Berlin sowie die Beteiligten des GTAZ verantwortlich sind. Unverständlich ist auch, dass der Generalstaatsanwalt in Berlin die Telefonüberwachung nach einem halben Jahr abbrach und sie auch nicht mehr aufnahm, als das LKA von NRW drei Monate vor dem Anschlag von Tunesien und Marokko informiert wurde, dass Amri IS-Anhänger sei, Kontakt zu IS-Terroristen hatte, sich in Berlin aufhalte und in Deutschland ein "Projekt ausführen wolle".

Braucht man noch mehr Hinweise, um Amris Telefon zu überwachen? Sicher, die Hürden des Gesetzes zur Überwachung und Inhaftierung von Gefährdern sind hoch. Allein aufgrund seiner Gesinnung wird in Deutschland niemand eingesperrt. Aber wenn das Gesamtbild ergibt, dass es sich bei einer Person um einen gefährlichen Islamisten handelt, ist es auch nach jetzigem Recht möglich, "zur Abwehr einer besonderen Gefahr" eine Person zu verhaften und abzuschieben. Das alles entbindet die Politik nicht, im Straf- und Ausländerrecht erheblich nachzuschärfen.

Quelle: Rheinische Post (ots) von Martin Kessler

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