Leipziger Volkszeitung zum Solidarpakt
Archivmeldung vom 19.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas musste ja so kommen. Erst streiten sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten um die zweckgebundene Verwendung der Mittel aus dem Solidarpakt. Dann folgte das Machtwort des SPD-Bundesfinanzministers, der alle Bestrebungen aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg nach Aufweichung der Kriterien stoppte.
Geld aus dem Solidarfonds wird weiter für Investitionen ausgegeben
und nicht in die Haushaltssanierung umgeleitet, heißt Steinbrücks
Basta. Sachsen als einziger Musterknabe unter den schludrigen
Ost-Ländern nahm es mit Genugtuung zur Kenntnis. Wer danach Ruhe bei
diesem Thema erwartet hatte, muss allerdings ziemlich blauäugig
gewesen sein.
Wenn es um die Umverteilung von Milliarden-Summen geht, ist es bis
zum nächsten Neider meistens nicht sonderlich weit. Es war nur eine
Frage der Zeit, bis sich einer melden würde. In diesem Fall die
Fraktionschefin der SPD in Nordrhein-Westfalen. Gut, Hannelore Kraft
sitzt genau betrachtet nur in der hinteren Reihe. Die letzte
Landtagswahl vor einem Jahr in Münteferings Heimatrevier vergeigt,
jetzt geben zwischen Rhein und Ruhr Union und FDP die
konservativ-liberale Marschroute vor. Vielleicht auch deshalb die
schrillen Töne, der Frontalangriff auf das wichtigste Bauwerk in der
fragilen Ost-West-Statik.
Taktisch ist der Vorstoß zum Solidarpakt gut kalkuliert. Die große
Koalition hat damit neben der Gesundheitsreform und dem
Ehegattensplitting das nächste Reizthema auf dem Tisch. Die Kritik an
Sinn und Nutzen des Geldtransfers, bei dem die Mittel in den neuen
Ländern nicht überall zielgerichtet eingesetzt werden, entbehrt zudem
nicht einer rationalen Grundlage. Es gibt auch im Westen Städte und
Regionen, denen sich die strukturelle Not ins Antlitz gegraben hat.
Man vergleiche nur schillernde Metropolen wie Leipzig oder Dresden
mit dem welken Charme von Gelsenkirchen.
Dass mit Blick auf die Transferleistungen bei manchen
West-Bürgermeistern Neid auf die Kollegen im Osten aufkommt, ist
verständlich. Daraus aber den Automatismus abzuleiten, falsch
verwendete Soli-Mittel wieder einzufordern, ist platte Polemik. Das
Transfer-Prinzip ist bis 2019 festgeschrieben, es kann nicht um seine
Aushebelung gehen. Höchstens da-rum, dass einige Bundesländer im
Osten ihre Hausaufgaben beim Einsatz der Mittel besser machen müssen.
Darauf hinzuweisen ist legitim, egal von welcher Seite.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung