Allgemeine Zeitung Mainz: Klamotte perfekt
Archivmeldung vom 14.10.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittThomas Gottschalk, der sich in seinen Shows eigentlich nur noch selbst feiert und seine Pointen fast ausnahmslos aus Respektlosigkeiten gegenüber seinen Gästen nährt, hat es zwar immer verdient; das jedoch nicht.
Stunden hat der gerne als "Literaturpapst" medial gepriesene und vermarktete Marcel Reich-Ranicki, der bislang vor keiner noch so netten Talkshow zurückschreckte, gebraucht, den Entschluss zu fassen, sich wieder einmal per Eklat perfekt in Szene zu setzen. Dass der alte Herr der versammelten Fernsehgemeinde, die sich so gerne gegenseitig auf die Schultern klopft, die Leviten las, war am Ende tatsächlich das einzig Bemerkenswerte dieses TV-Abends. Damit hat er aber nicht nur eine Diskussion angestoßen, sondern die ganz Schau, gewollt oder ungewollt, sogar noch gerettet. Wenn ihm aber diese geschlossene Gemeinschaft so auf den Geist geht, warum ist er dann überhaupt hingegangen? Man kennt sich doch bestens, auch weil es längst üblich ist, sich in einem Kreis zunehmend abgenutzter TV-Gesichter wechselseitig einzuladen und damit selbst ein prinzipiell gutwilliges Publikum vor dem Bildschirm zu vergrämen. Am Ende bleiben dort tatsächlich nur die, die nicht mehr davonlaufen können. Vieles an dem, was der Wortgewaltige wie Blitze von sich schleuderte, ist durchaus zutreffend, aber auch nicht neu. Elke Heidenreich fand zudem erheblich gescheitere und deshalb wirksamere Worte der Kritik. Dass sich am Ende der mitgescholtene Gottschalk und der Wüterich in den Armen lagen, der Showmaster den Aufmüpfigen sogleich dienstverpflichtete (Freitag, 22.30 Uhr, ZDF!), dessen Biografin den Preis dann doch noch nahm und das Publikum genauso stehend applaudierte wie zur Begrüßung Reich-Ranickis, machte die Klamotte in aller Peinlichkeit perfekt. Wie selbstverliebt muss man sein, um solch ein Stück mit kollektivem Bühnenlächeln durchzustehen? Dem leider stark alternden Kritiker-Star gehört dennoch die nächste große Show. - Wetten, dass?
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz