Leipziger Volkszeitung zum Kongo-Einsatz der Bundeswehr
Archivmeldung vom 02.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit dem mehr von ihr, als von ihrem Ausführungsorgan Minister Jung zu verantwortenden Kongo-Einsatz der Bundeswehr, hat Angela Merkel die Außenpolitik als Phase der lächelnden Profilierung ohne Risiko beendet. Ab jetzt steht die Kanzlerin in der Beweispflicht.
Sie muss mehr wollen und
verantworten, als nur moralisch anständig über Menschenrechte und
Wirtschaftsinteressen zu parlieren. Es geht um kaum erfüllbare
Hoffnungen in Afrika und um deutsche Soldaten, denen immer mehr und
immer neue Aufträge mit unklarer Zielsetzung bei größtem persönlichen
Risiko zugemutet werden. Vom letzten Mittel der Politik haben sich
auch deutsche Militäreinsätze im Ausland zum ersten Ersatz-Instrument
einer überforderten Politik entwickelt. In Afghanistan droht "ein
blutiger Sommer" und im Kongo die Kurzzeit-Assistenz für ein
korruptes Regime, das die Demokratie verspricht. Trübe Aussichten für
die Bürger, ein gefährliches Unterfangen für die deutschen Soldaten
und eine außenpolitische Phase für die Kanzlerin, die sie in
schwerste Erklärungsnöte bringen kann.
Im Kongo rücken, auf Merkels Geheiß, deutsche Soldaten nach Afrika
vor - in bester demokratischer Absicht - aber die Politik sagt ihnen
nicht die Wahrheit. Gerufen von einem ausbeuterischen Regime, benutzt
von europäischen Ex-Kolonialmächten. Weder das Herz Afrikas noch die
deutsche Verteidigungslinie am Hindukusch lässt sich im Vorübergehen
gewinnen. Wenn das Engagement in Afghanistan, gefährlicher und
vielleicht sogar wirkungsloser denn je, mindestens zehn bis 20 Jahre
dauern muss, um Erfolg zu haben, dann ist der Interessenausgleich in
Afrika eine Lebensaufgabe.
Europa tut nur so, auch mit dem gestrigen Bundestagsbeschluss, als
stelle es sich dieser Aufgabe. Dementsprechend hoffen die Kongolesen
an tausenden von Wahllokalen. In Wahrheit wird ein mieses Spiel
getrieben. Die Afrika- und Demokratisierungsstrategie der Regierung
trägt allenfalls für vier Monate. Dann gestaltet die frühere
Kolonialmacht Frankreich die nächsten Etappen und spannt Deutschland
im Bedarfsfall erneut mit ein. Und die Bundeswehr packt entweder
eilig ihre Koffer oder stolpert in ein Endlos-Mandat. Das scheinbar
alles rechtfertigende Argument, dass die ganz große Mehrheit der
Kongolesen nach 45 Jahren Ausbeutung und Misshandlung Demokratie und
Aufschwung für alle herbeisehnen, ist vergiftet. Nicht im Raum
Kinshasa und schon gar nicht in vier Monaten wird sich entscheiden,
ob der Kongo seinen Frieden und mit ihm Afrika eine Stabilität
findet.
"Ganz oder gar nicht" muss die Devise für eine vernünftige
Afrika-Politik lauten. Der Bundestag hat gestern dazu Jein gesagt,
die Regierung weiß, dass daraus ein Ja zum ganzen Einsatz werden
kann, den Soldaten und Bürgern wird das Gegenteil vorgegaukelt. Hier
wird Politik zu Lasten Dritter, der Soldaten, gemacht.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung