Westfalenpost: Auf Entzug
Archivmeldung vom 30.05.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBundestag stimmt Schuldenbremse zu Von Winfried Dolderer Die Politik spricht sich selbst das Misstrauen aus. Der Staat geht auf Entzug, und zwar in einer vergitterten geschlossenen Anstalt. Man kann die Zustimmung des Bundestages zur Schuldenbremse schwerlich anders verstehen.
Bedeutet sie doch, dass, wenn auch erst in etlichen Jahren und nicht ohne Ausnahmen, der Bund nur noch einen Bruchteil der Schulden machen darf, die er sich derzeit genehmigt, und die Länder ganz auf Null gesetzt werden. Und wenn das erst einmal so im Grundgesetz steht, lässt es sich kaum noch korrigieren. Die Einwände sind erheblich. Es gibt Ökonomen, die berechnet haben wollen, dass in den Flautejahren 2001 bis 2004 noch 500 000 Menschen mehr arbeitslos gewesen wären, hätte da die Schuldenbremse schon funktioniert. Und überhaupt, der Staat muss doch Geld in die Hand nehmen können, monieren die Kritiker. Bildung, Autobahnen, Elterngeld, Hartz IV, können wir uns all die schönen Dinge demnächst nicht mehr leisten? Die Frage ist, ob wir sie uns bisher wirklich haben leisten können. Mit unserer Art zu wirtschaften haben wir in 40 Jahren eine Schuldenmasse von schaudererregenden 1,6 Billionen aufgehäuft. Rund 15 Prozent seines Haushalts gibt der Bund allein an Zinsen aus, für Investitionen weniger als neun Prozent. Kann das so bleiben? Es wird keinen Politiker geben, der da ja sagt. Doch sie alle wissen jede Menge gute Grunde, warum es ohne "gestaltende Finanzpolitik, so der Steinbrücksche Euphemismus, einfach nicht geht. In guten Jahren mehr einsparen, was man in schlechten mehr ausgegeben hat, freiwillig hat die Politik das nie hinbekommen. Jetzt heißt es: Wir können es nicht. Wir sind Junkies. Wir müssen auf Zwangsentzug.
Quelle: Westfalenpost